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Grenze

Deutscher Grenzposten in Beuthen. Quelle: Deutsches Bundesarchiv / Niemieckie przejście graniczne w Bytomiu. Źródło: Bundesarchiv Deutscher Grenzposten in Beuthen. Quelle: Deutsches Bundesarchiv / Niemieckie przejście graniczne w Bytomiu. Źródło: Bundesarchiv

Je näher das Datum 20. März heranrückt, desto öfter denke ich an Grenzen. Die vergangene Woche bestärkte mich noch darin, denn auf dem Weg nach Berlin traf ich kurz nach der Grenze auf eine zu einer Spur verengte Autobahn. Die andere blockierte die Bundespolizei mit ihrer Kontrolle der Einreisenden auf die Einhaltung der Corona-Bestimmungen. Ich sah die Irritation der überraschten Autofahrer. Vor allem der jüngeren.

Mein Alter erlaubt mir die Erinnerung daran, dass man früher auf dem Weg nach Westdeutschland gleich zwei Grenzen passieren musste. Bereits einige Wochen vor Reiseantritt musste man bei der Polizeikommandantur einen Antrag auf einen Pass stellen, den man nach der Rückkehr wieder abzugeben hatte. In den 80er Jahren hatte ich drei polnische Pässe, keinen einzigen hatte ich aber zu Hause. Ich weiß, welches kostbare Gut die EU mit ihren offenen Binnengrenzen ist und welchen Schock deren Schließung, egal aus welchen Gründen, hervorruft.

Die Schlesier wurden vor 100 Jahren von ähnlichen mentalen Erschütterungen heimgesucht und haben gewiss mehrmals bereut, dass das Schicksal oder sie selbst ihnen die Grenze im Jahr 1922 beschert hat. Auf beiden Seiten haben sich viele von Politikern, Militärs, den alliierten Staaten und schließlich dem Völkerbund betrogen gefühlt. Mit der Antwort auf die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit Oberschlesiens hatten sie jedes Recht zu glauben, ihre Heimat würde je nach Ergebnis bei Deutschland verbleiben oder ein Teil Polens werden. Das war der Sinn der Volksabstimmung, der der Selbstbestimmung der Völker durch demokratische Entscheidungen der Mehrheit Rechnung tragen sollte. Diese Mehrheit wählte Deutschland. Sie haben nicht vermutet, dass die Ergebnisse einer Interpretation unterliegen werden und ihre Heimat durch eine Grenze geteilt wird. Sie musste in den Herzen der Menschen bluten. Bis dahin lebten sie Hunderte Jahre nebeneinander.

Nach 1922 kehrten die Alliierten nach Hause zurück, die polnischen Offiziere, die den Aufstand kommandierten, verließen Oberschlesien, polnische Soldaten und Freiwillige kehrten nach Warschau oder Lemberg zurück, wieder in ihre Häuser gingen auch die Kämpfer des Selbstschutzes aus Bayern und dem übrigen Deutschland… Nur viele Schlesier mussten ihre seit Jahrhunderten bewohnten Dörfer und Häuser verlassen und auf die andere Seite der Grenze ziehen. Wollten sie diese? Haben nicht viele Aufständische den Mai 1921 bereut? Was dachten die, die nicht am Aufstand teilgenommen haben, dessen Konsequenzen sie aber tragen mussten? 100 Jahre später denke ich an ihre Gedanken und Gewissenskonflikte.

Bernard Gaida

Letzte Änderung am Mittwoch, 03 März 2021 10:59