Die Gestalt dieser Welt vergeht
- geschrieben von Bernard Gaida
- Publiziert in Blogs
Wenn man auf Ereignisse schaut, die zwar schon seit Jahren vor sich gehen, in der letzten Zeit aber konzentriert auftauchen, kommen mir seit einigen Tagen immer wieder dieselben Worte in den Sinn: Die Gestalt dieser Welt vergeht. Es ist fast ein Zitat aus dem Ersten Brief an die Korinther, aber abgeleitet von Hanna Malewska in dem Titel ihres Romans.
Sie erzählt von Italien im 6. Jh., das von den Ostgoten regiert wurde. Es war die Zeit des großen gotischen Herrschers Theoderich, dessen Grab im Mausoleum in Ravenna einige von uns unwissend besichtigt haben - auf dem Weg zum Adria-Strand. Meistens haben wir keine Ahnung, wie sehr er sich bemüht hatte, die Welt der römischen Rechtsordnung mit der germanischen Urgewalt, die Katholiken mit den Arianern, den Traditionen Konstantinopels und Roms zu vereinen. Und doch war klar, dass eine Welt zu Ende geht.
Karol Modzelewski schrieb im Vorwort zur Ausgabe, die ich vor Jahren gelesen habe: „Malewska ist sich völlig im Klaren, es geht (…) um zwei Kulturen und zwei sakrale Systeme, doch sie lehnt den Relativismus ab. (…) Das Christentum ist keine Kultur von selbstgefälligen Ethnozentrikern, die von ihrer Engelhaftigkeit überzeugt sind. Es ist eine Zivilisation von Sündern, die sich ihrer Sünden bewusst, also auch zur Gewissenserforschung fähig sind. Der Sünder ist in dieser Zivilisation ein Bruder, den man nicht steinigt“.
Ich kann mich nicht der Überzeugung wehren, dass wieder die Welt dieser „selbstgefälligen Ethnozentriker, die von ihrer Engelhaftigkeit überzeugt sind“, vergeht. Doch im Gegensatz zu damals, wächst keine Zivilisation von Sündern, die sich ihrer Sünden bewusst und zur Gewissenserforschung fähig sind, heran. Die Welt, die entsteht, wird zu einer Welt von Individuen, die auf ihre eigene Art von ihrer außergewöhnlichen Engelhaftigkeit überzeugt sind. Sie verurteilen leicht andere und sehen keinen Grund zur eigenen Gewissenserforschung. Die einen brechen moralische Normen für die glorifizierte Freiheit, andere brechen sie, um geheiligte Werte zu schützen.
Im damaligen Italien formte sich ein Europa, das eine Symbiose aus dem Recht der römischen Zivilisation und der jüdisch-christlichen Wertewelt wurde. Vor unseren Augen findet ein Streit um die Dominanz statt, die eigenen Deklarationen werden verraten, Autoritäten verfallen und erneuern sich nicht wieder. Die Welt ist nicht einfacher, aber jeder von uns ist weiterhin verantwortlich für das Wertesystem, um es in die Welt zu übertragen, die auf den Trümmern der jetzigen entstehen wird.
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