Anfang und Ende
- geschrieben von Bernard Gaida
- Publiziert in Blogs
Es beginnt nun wieder der Alltag, in den wir nach der Weihnachtszeit und den gefassten Vorsätzen für das neue Jahr klüger und besser vorbereitet eintreten sollten. Der Kern der Weihnachtsfeiertage ist der Beginn, die Geburt - und am schönsten schrieb über die Geburt im Prolog der Evangelist Johannes: "Am Anfang war das Wort".
Das Leben aber schreibt Drehbücher, die uns dazu zwingen, diesen Beginn in all seinen Dimensionen zu verstehen. So geschieht es auch in meinem Neujahr. Am Donnerstag begleite ich in Warschau den Dominikanerpater Jan Spież auf seinem letzten Weg. Mein Seelsorger aus der Studentenzeit in Posen erlebte nur einen Tag des neuen Jahres. Er war der geistliche Führer für hunderte Studenten in einer Zeit, in der sich alles veränderte: Karol Wojtyła wurde Papst und es fand seine folgenreiche Pilgerreise nach Polen statt: die Solidarność entstand und der Kriegszustand wurde ausgerufen. Er, der aus Kalisz stammende, spät in den Priesterstand berufene Historiker, hat mit Ruhe allen Hitzköpfen die äußerlichen Prozesse erklärt und nicht selten unheilvolle Emotionen beruhigt. Seine rationale Aufmerksamkeit unterschied ihn von vielen anderen.
Als er die Geschichte der Dominikaner studierte, musste er sich auch mit Schlesien beschäftigen. Denn gerade in Groß Stein wurde der Hl. Hyazinth, ein Schüler des Hl. Dominiks und Gründer von Dominikanerklöstern in Prag, Breslau, Cammin in Pommern oder Danzig, geboren, der dann in Krakau beigesetzt wurde. Daher auch unsere späteren Treffen beim Ablassfest in Groß Stein. Viele weitere Jahre erforschte er im Rahmen ihres Seligsprechungsprozesses das Leben der Dominikanerin Euphemie, der Herzogin von Ratibor.
In der jetzigen Zeit des Streits um die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Gerichte erinnere ich mich an seine häufigen und in Posen geradezu natürlichen Vergleiche zwischen der preußischen und der russischen Teilung. Man weiß ja, dass nur in Preußen alle Kinder der Schulpflicht unterlagen, es keine Leibeigenschaft gab und die Dörfer wohlhabend gewesen sind. Doch nur Pater Jan wies darauf hin, dass der Ursprung dessen in der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und den Richtern lag. Es sagte oft, dass die Geschichte mit dem Wagen des Drzymała im russischen Teilungsgebiet Polens sich so nie hätte abspielen können, denn der Protagonist würde binnen einer Nacht in einem Transport nach Sibirien landen. Das bekannte Sprichwort „Dura lex, sed lex” interpretierte Pater Spież so, dass das harte preußische Recht besser sei als die russische Rechtlosigkeit.
Sein Tod zu Beginn des neuen Jahres ist nicht das Ende, sondern der Beginn eines Weges, zu dem er viele führte.