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Geschichtsstrang

Kasachstans Hauptstadt: Nur-Sultan Bernard Gaida, Facebook Kasachstans Hauptstadt: Nur-Sultan

Eine alte Weisheit besagt, dass Reisen bildet. Wichtiger wäre wohl zu sagen, dass Reisen Stereotypen abbaut. Zu diesen gehört wahrscheinlich das allgemeine  Denken über Kasachstan, das wir mit dem sowjetischen Erbe, der Rückständigkeit Zentralasiens, der Deportation von Deutschen und Polen im Krieg sowie manchmal mit Diktatur in Verbindung bringen, da ja dort seit 28 Jahren Nursultan Nasarbajew regiert.

Aufgrund meines dreitägigen Besuches in der Hauptstadt des Landes bin ich keineswegs Experte, meine Stereotypen wurden aber auf jeden Fall gebrochen. Die Moderne und die Entwicklung in einem bis dahin ungesehenen Grad imponieren. Die neue Stadt mit Regierungszentrum entstand aus den Visionen des Präsidenten dort, wo noch vor einigen Jahren Steppe gewesen ist. Heute ragen dort moderne Wolkenkratzer in den Himmel. Die Vision des Präsidenten basiert auf einem Geschichtsstrang, den ich aus einer Höhe von 25 Metern sehen konnte. Im Zentrum steht die Unabhängigkeitssäule, die den Wendepunkt der Geschichte der Kasachen markiert. Von Beginn an lebte dieses Nomadenvolk in einer unbestimmbaren Welt, was die relativ chaotische, wenn auch moderne Bebauung veranschaulicht. Von da an wird alles systematisch und verläuft in einer geraden Linie bis zum Sitz der Regierung, des Parlaments und des Präsidenten sowie dem Palast der Religion in Form einer Pyramide  und dem Palast des Volkes.

In dieser Stadt erfuhr ich vielmals die traditionelle Gastfreundschaft und Offenheit der Kasachen, die seit 1991 in einem permanenten politischen, gesellschaftlichen und sprachlichen Umbruch leben. Die Unabhängigkeit war von Anfang an ein friedlicher Prozess,  aber doch ein Ausbruch aus der Abhängigkeit von Russland und einer Öffnung auf die Welt. Die Bedeutung dessen ist nicht nur mit der Wirtschaft verbunden, sondern auch mit der Kultur des Landes, das zu 70% von Kasachen und zu 25% von ethnischen Russen bevölkert wird. Gleichzeitig sprechen nur etwa 30% der Bürger kasachisch.

Die dominierende Rolle der russischen Sprache führt dazu, dass die Kulturpolitik auf die Popularisierung der kasachischen Sprache eingestellt ist, was, neben dem Rang des Englischen als Weltsprache, vor allem den dortigen Deutschen Sorgen bereitet. Denn dadurch wird das Deutsche, früher so beliebt, dass jedes Jahr 300.000 Schüler diese Sprache als erste Fremdsprache gelernt haben, heute nur auf Rang vier ist. Mehr über die Begegnungen mit den Kasachstandeutschen - und nicht nur - schreibe ich in der kommenden Woche.