Log in
Bernard Gaida

Bernard Gaida

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Webseite-URL:

Da war doch mal ein Post …

„Wir wollen euch hier nicht“ – so lautete der Titel eines Posts, den am 2. Mai Lucjan Dzumla in den sozialen Medien veröffentlich hatte und der auf großes Interesse stieß, sodass er schnell geteilt wurde. Es war ein Zeichen, dass sich viele User, viele Schlesier, vor allem die deutscher Nationalität, aber auch viele Polen mit einer weltoffenen Einstellung, mit dessen Inhalt identifizierten.

Der Post war eine Reaktion auf die Staatsfeierlichkeiten zum Ausbruch des III. Schlesischen Aufstandes auf dem St. Annaberg, die der Autor folgendermaßen charakterisiert hat: „Viele Schlesierinnen und Schlesier erleben in diesen Tagen bittere Momente (…), denn sie sind sich dessen bewusst, dass ihre Vorfahren damals ihr deutsches Vaterland verteidigt haben. Und das wird bis heute als Niederträchtigkeit und verdammenswertes Verhalten angesehen. Man darf nur dann für das Vaterland kämpfen, wenn dieses Polen ist.“ Der Autor schreibt weiter, diesen Menschen habe die Regierung „ostentativ den Rücken zugekehrt und eindeutig zu verstehen gegeben: ‚Wir wollen euch hier nicht. Ihr seid hier nicht gern gesehen.‘“

Dieser Text, vor allem aber sein Titel, kam mir in den Sinn, als ich gelesen habe, dass der Bildungsminister Przemysław Czarnek Änderungen in der pädagogischen Aufsicht plant, um Kinder vor unerwünschten Einflüssen im Schulbereich zu schützen, wobei ein Beispiel solcher Einflüsse die Verbindung des Deutschunterrichtes mit dem Lehren der deutschen Geschichte Schlesiens sein soll. Es geht nicht einmal mehr darum, dass jede Geschichte Schlesiens den deutschen Teil beinhalten muss, weil er einfach Fakt ist, sondern vielmehr um die Reihe von Rechtsdokumenten und Traditionen, die der Aussage Czarneks entgegenstehen.

Eines dieser Dokumente ist der Nachbarschaftsvertrag mit Deutschland, in dessen Paragraf 21 die Rede davon ist, dass man die Geschichte und Kultur der deutschen Minderheit „im Zusammenhang mit dem Unterricht von Geschichte und Kultur in Bildungseinrichtungen“ berücksichtigen werde. Der Unterricht der Sprache und der Geschichte der Regionen, die von einer nationalen Minderheit bewohnt wird, ist garantiert im Minderheitengesetz, in den von Polen ratifizierten Dokumenten des Europarates und vielen anderen. Wenn also jemand meint, dass es sträflich sei, die deutsche Geschichte Schlesiens zu unterrichten, bedeutet das, er stellt die polnische Gesetzgebung in Frage, aber auch, er will hier keine einheimischen Einwohner, deren Abstammung in der deutschen Geschichte Schlesiens verwurzelt ist. Und dass „wir hier nicht gern gesehen werden.“

Bernard Gaida

  • Publiziert in Blogs

Die Kraft der Mythen

Bereits im Jahr 2019 appellierten wir an polnische Politiker in der Resolution des VdG, nach 100 Jahren der Haltungen beider oberschlesischen Seiten des Konflikts zu gedenken und trotz Abwesenheit der eingeladenen Politiker legten wir konsequent Kränze an Gräbern deutscher und polnischer Gefallener nieder, sowohl im Mai, Juni als auch am 5. Juli dieses Jahres, während der ersten Jubiläumsfeierlichkeiten zum Ende der Kampfhandlungen des Jahres 1921. Wieso wir, schlesische Deutsche, ab diesem Jahr gerade dieses Ereignis feiern wollen, versuchte ich in meiner Rede bei der Eröffnung der Ausstellung des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit im Pilgerheim auf dem St. Annaberg zu erklären. Ich sagte: „Wir sind zu der Ansicht gekommen, dass es Zeit ist, um in Ruhe die ganze Geschichte zu erzählen und die Opfer nicht nach ihrer Nationalität oder gewählten Option zu bewerten. Wir haben entschieden, dass wir selbst, als Deutsche, deutsche Schlesier, über den Gräbern der Opfer nicht über deren Recht oder Unrecht streiten, sondern mit gesenktem Haupt aller gedenken werden. (…) Wir wissen, dass wir damit im Unterbewusstsein eingeprägte Stereotypen aufbrechen, doch uns kommt das Christentum mit den Zehn Geboten und dem Wertesystem zu Hilfe, das verlangt, Blutvergießen und Verbrechen zu verdammen und sich dem zuzuwenden, was Frieden und Eintracht bringt. (…) Wir haben entschieden, im Gegensatz zu der vor 100 Jahren beschlossenen Konzeption den Ausbruch des Dritten Aufstandes, also den Beginn des Konfliktes, des Blutvergießens auch unter Brüdern zu feiern, im Gebet dafür zu danken, dass das Töten aufgehört hatte, dass die Polen zurück nach Polen, die Bayern zurück in ihre Heimat gingen und die zurückgebliebenen Schlesier, obwohl sie die größten Verlierer gewesen sind, sich wieder friedlich verständigen mussten.“

Leider wurde unsere Bitte nicht verstanden, worauf ein Schreiben an mich von Minister Jarosław Sellin hinweist, der nur die „polnische Erinnerungspolitik“ unterstreicht. Über diese Erinnerungspolitik sagte ich: „Solide Historiker, die heute befreit vom Korsett „der bestellten Wahrheit“ in der Zweiten Polnischen Republik, die in der Volksrepublik übernommen wurde und noch heute zu oft unreflektiert in der Dritten Republik wiedergegeben wird, haben bereits bewiesen, dass „der spontane Aufstand des schlesischen Volkes“ ein Mythos ist, dem die Form der Feierlichkeiten, Gedenkveranstaltungen und Lehrbücher unterstellt werden.“

Die Zeit vergeht und irgendwann muss die polnische Erinnerungspolitik in Oberschlesien erkennen, dass „für einige diese Ereignisse zum Sieg der polnischen Option und der Angliederung eines weiteren Teils Deutschlands an Polen führten, für andere eine bis heute andauernde Teilung unter den Schlesiern, den Verlust der Heimat, den Beginn der institutionalisierten Polonisierung bedeuten. (…) Doch wir warten nicht passiv, sondern gehen aktiv voran und initiieren Kranzniederlegungen auf den Gräbern Lemberger Kadetten und deutscher Verteidiger Oberschlesiens“. Vielleicht wird eines Tages der Glaube an die Mythen in Polen geringer und die vereinte Erinnerung wird zum Standard.

Bernard Gaida

  • Publiziert in Blogs

Tod wegen eines Liedes

Am vergangenen Samstag (26.06.) fand in Beuthen die Premiere des Films „Beuthen 1945. Tragische Kindheit in Oberschlesien“ statt. Der Film wurde produziert vom DFK Beuthen und ist die Aufzeichnung von Zeitzeugenberichten von Menschen, die 1945 Kinder im unterschiedlichen Alter, zwischen einem und 14 Jahren, waren. Dank jahrelanger Bemühungen um die Geschichte, die jahrzehntelang verborgen blieb, wissen wir (obwohl immer noch nicht aus Schulbüchern) von den Nachkriegslagern für Deutsche, von Deportationen in die Sowjetunion, von Tausenden vergewaltigter Frauen, von Plünderern …, aber immer wieder erfahren wir in Berichten von Ereignissen, die einen neuen Blick auf die damalige verbrecherische Zeit des Nachkriegsfriedens bieten. 

In einem Dorf bei Beuthen fand ein Tanzabend statt, bei dem die Jugend im freudigsten Moment das deutsche Lied anstimmte „Schön ist die Jugend”. Dann passierte es blitzschnell: Jemand denunzierte die jungen Menschen bei der Miliz, die auch kam, sich aber wegen der Überzahl der Dorfbewohner beim Tanzabend schnell wieder zurückziehen musste. Leider sind die Milizionäre in der Nacht zu einem jungen Teilnehmer des Tanzabends gekommen und haben ihn zur Wache transportiert, wo sie ihn nach mehrstündiger Folter umgebracht haben. Einige Tage später wurde das von der Miliz streng bewachte Begräbnis des jungen Mannes zu einer Demonstration der Menschenmenge, die beim Herablassen des Sargs in das Grab das Lied „Schön ist die Jugend” anstimmte. Ein Lied, das nicht nur seine Jugend, sondern auch sein Leben beendet hatte.

Ich bekam Gänsehaut, als ich diesen Bericht im Beuthener Film gehört habe. Und das zeigt, dass wir weiterhin die Pflicht haben, die Zeitzeugenberichte zu sammeln. Meine Überzeugung bestärkte auch mein Besuch des Berliner Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, in dem vielleicht solche Berichte existieren, aber nicht in die Ausstellung übernommen wurden. Und wenn nicht, bleiben sie weiterhin im Verborgenen, zugänglich nur für Wissenschaftler und Hobbyhistoriker, aber nicht für die breite Öffentlichkeit. Die Zeit vergeht und man muss die Berichte sammeln.

Aber noch eines wurde in diesen Berichten sichtbar. Die meisten von ihnen wurden auf Polnisch oder Schlesisch aufgenommen, doch aus allen hörte man die authentische deutsch-oberschlesische Identität heraus. Dieses unzertrennliche Band, das heute in Schlesien viele Gegner hat, zeigt sich in den Berichten als etwas so Natürliches wie die Luft, die wir atmen.

Und zum Schluss: Das Lied, das den jungen Schlesier das Leben gekostet hatte, entstand ca. 1820 im hessisch-thüringischen Grenzgebiet, es wird aber im gesamten deutschen Kulturkreis gesungen. Auch in Schlesien, Pommern, Ermland oder Masuren. Auch heute noch.

Bernard Gaida 

  • Publiziert in Blogs

Ansprache von Bernard Gaida zu den Bundestagswahlen

Liebe Landsleute, liebe Mitglieder der deutschen Minderheit,

für den Herbst dieses Jahres sind in Deutschland die Bundestagswahlen ausgeschrieben. Wie immer, bestimmt das Wahlergebnis auch dieses Mal die Richtung, die Deutschland in den nächsten Jahren gehen wird.

Auch wenn wir außerhalb von Deutschland wohnen, bleiben Tausende von uns als deutsche Staatsbürger mit dem Vaterland verbunden: sei es beruflich, sprachlich, kulturell oder familiär. Das Wahlergebnis in einem Land, das in der Europäischen Gemeinschaft von großer Bedeutung ist, wird auch einen wichtigen Einfluss auf unser Leben haben.  

Was uns in Polen unter deutschen Minderheiten auszeichnet ist das Recht, eine deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen und was daraus resultiert, an den Wahlen teilnehmen zu dürfen. Es betrifft vor allem die Schlesier, Pommeraner, Ermländer und Masuren. Es ist ein Privileg und eine symbolische Verbindung zum deutschen Volk, zugleich aber auch eine Pflicht.

In den letzten Jahrzehnten konnten wir auf die Unterstützung der deutschen Regierung zählen: Ohne diese Förderung könnten zahlreiche Kultur-, Sprach- und Bildungsprojekte sowie Institutionen und Begegnungsstätten der deutschen Minderheit in Polen, die für unsere Identität so wichtig sind, nur erschwert oder gar nicht funktionieren. Viele Bedürfnisse der Deutschen in Polen sind immer noch offen und von guter Qualität und dem Inhalt der deutsch-polnischen Beziehungen abhängig. Immer mehr Minderheitenthemen werden aus der europäischen Perspektive betrachtet und in diesem Sinne auch gelöst. Nicht jede Partei hat aber die gleiche Einstellung zu den Themen und besonders zu den außerhalb von Deutschland verbleibenden Minderheiten. Eine Stimmenenthaltung bedeutet, die Entscheidung über unsere Zukunft den Anderen zu überlassen.

Auch aus diesem Grund ist uns der 26. September als Wahltag so wichtig. Für uns, die außerhalb von Deutschland wohnen, erfolgt die Eintragung in die Wählerliste jederzeit ausschließlich auf Wunsch des Antragstellers. Das ist notwendig, um an der Briefwahl teilnehmen zu können. Nur bis zum 5. September besteht die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Verpassen wir nicht diese Möglichkeit, die uns ein demokratisches Land gibt.

Das Appell richte ich auch als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten an  wahlberechtigte Personen aus den deutschen Volksgruppen in allen Ländern Europas. Für uns alle soll der Deutsche Bundestag ein natürlicher Befürworter unserer Anliegen bleiben. So im innen- wie außenpolitischen Bereich.  

Zögern Sie nicht und senden Sie den Antrag schnellstmöglich ab!

Nutzen Sie die Gelegenheit dazu, unsere Meinung zu äußern und nehmen Sie an den Wahlen aktiv teil.

Alle wichtigen Informationen zu den Bundestagswahlen, einzuhaltenden Terminen und zu erfüllenden Bedingungen finden Sie auf unserer Internetseite www.vdg.pl. Dort finden Sie auch Stellungnahmen der Parteien auf die von uns gestellten Fragen. 

Sollte aber noch etwas für Sie unklar bleiben, können Sie sich jederzeit an den Verband wenden.

Jede Stimme zählt.

  • Publiziert in Politik
Diesen RSS-Feed abonnieren