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Bernard Gaida

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Vor wenigen Tagen, am 23. Mai, gab es einen besonderen Jahrestag. An diesem Tag, nämlich im Jahr 1949, verkündete Konrad Adenauer, der Präsident des Parlamentarischen Rates, ein Dokument, das man Grundgesetz genannt hat, um die Bezeichnung Verfassung zu vermeiden. Man könnte sagen, es entstand auf Wunsch der Besatzungsmächte der drei westlichen Zonen: der britischen, amerikanischen und französischen. 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates arbeiteten neun Monate an dem Gesetz, ohne es Verfassung zu nennen, um damit nicht zufällig eine endgültige Teilung Deutschlands in Ost und West zu sanktionieren. Eine Verfassung sollte vom vereinten Deutschland ausgearbeitet werden.

Die Begründer des Grundgesetzes vertraten dabei diejenigen Deutschen, die in keinem Fall mit dem Machtapparat des Dritten Reiches verbunden waren, mehr noch, sie wurden von ihm schikaniert. Auf ihnen lastete nun die Verantwortung, ein demokratisches Deutschland aufzubauen, zugleich aber die nationale Kontinuität beibehaltend. Das Gesetz bediente sich nicht des Begriffes „Hauptstadt“. Bonn wird also nur Sitz des Parlaments- und Regierungssitz. Doch die Begründer des Gesetzes formulierten nach der Tragödie der Vertreibung und in dem Wissen, dass in den verlorenen Gebieten im Osten Landsleute geblieben waren, die von der Kultur, der Sprache getrennt, vom System und einem neuen Nationalismus verfolgt werden, den Paragrafen 116 über die Staatsbürgerschaft so, damit diese Menschen aus dem Volk nicht ausgeschlossen werden. Wenn ich diese Worte als gebürtiger Schlesier schreibe, unterstreiche ich gern: damit wir nicht ausgeschlossen werden.

In diesem Paragrafen lesen wir: „Deutscher (…) ist (…), wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“ Daraus resultiert eindeutig, dass nicht jeder ethnische Deutsche, der außerhalb der Grenzen Deutschlands lebt, ein Recht auf die Staatsbürgerschaft besitzt. Unter den deutschen Minderheiten hebt es uns hervor. Vor allem nämlich betrifft dieser Paragraf die Schlesier, Pommern, Ermländer und Masuren, die heute in Polen leben.

Wenn man sich dessen bewusst wird, ist es leichter, die deutsche Nationalität in der gerade laufenden Volkszählung anzugeben. In diesem Jahr ergibt sich aber aus diesem Paragrafen auch eine Pflicht, und zwar die Teilnahme an der Bundestagswahl, das Privileg, das Schicksal eines wichtigen Staates der Europäischen Union, einer wirtschaftlichen, intellektuellen und kulturellen Macht, mitgestalten zu können. Bereite Dich darauf vor, erneuere Deinen Reisepass oder Personalausweis. Viele unserer Vorfahren erlebten diese Möglichkeit nicht, da sie hinter dem sog. Eisernen Vorhang lebten. Denken wir daran und verspäten uns nicht. Nähere Informationen gibt es auf vdg.pl.

Bernard Gaida

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Neue Qualität auf dem Annaberg

Mit Hoffnung schaue ich auf die sich wieder öffnende Welt. Ich schreibe diese Worte in Berlin, wohin ich gereist bin zu einer Sitzung des Unterausschusses des Bundestages für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, die der Unterstützung der Deutschen im Ausland gewidmet war. Als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten versuchte ich, unseren Standpunkt darzustellen, der schon vor drei Jahren hieß, dass die Unterstützung eine Restrukturierung der Ziele braucht, aber auch konkrete Akzente in der Außenpolitik Deutschlands. Alles, um irgendwann den Teufelskreis der Konsequenzen der Diskriminierung zu durchbrechen, zu denen andere heutige soziale und politische Probleme hinzukommen.

Doch unabhängig vom Thema der Sitzung war es ein außergewöhnliches Erlebnis, wieder an einem Treffen in der realen Welt und nicht auf Entfernung teilzunehmen. Außergewöhnlich, weil es in der Einladung anfangs hieß, die Sitzung würde online stattfinden und zu meiner Freude wurde sie in eine Präsenzsitzung umgewandelt.  

Dieser Optimismus steht auch hinter meiner heutigen Einladung an Sie zur traditionellen Wallfahrt der nationalen Minderheiten zur Grotte auf den St. Annaberg. Wir glauben daran, dass unter freiem Himmel, den Abstand wahrend, es uns gelingen wird, auf dem heiligen schlesischen Berg unser Dankgebet aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des VdG sowie der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zu erheben. Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Vertrag besteht, aber vor 30 Jahren konnten viele sich nicht ausmalen, dass diese beiden Länder gute Nachbarn sein könnten.

Das Gebet erheben wir auch von einem Berg, um den vor 100 Jahren gekämpft wurde, wobei dieser Kampf hier in Schlesien keine Sieger, sondern nur Verlierer hatte. Die Gewinner waren weit entfernt in Posen, Warschau und in Paris. Der Kampf hinterließ ein zerrissenes Schlesien, geteilte Menschen, Streit um Geschichte. Deshalb wollen wir, dass die Intention der Wallfahrt diese Jahrestage verbindet. Sie lautet: Versöhnung, Freiheit, Erneuerung.

Versöhnung braucht Freiheit und die Chance auf eine neue Qualität. Um diese Qualität des versöhnten Lebens in Schlesien werden wir genauso beten, wie wir uns täglich darum bemühen. Ebenso wie am 2. Mai, unabhängig von den staatlichen Feierlichkeiten, werden wir auch die im Jahr 1921 tragisch Gefallenen, beiderseits des Konfliktes, ehren. Die Idee der Versöhnung, zu der hier im Jahr 1983 der Papst aufgerufen hatte, muss doch endlich Realität werden.

Wir hoffen, dass wir durch diese Feierlichkeit auch die Erneuerung unseres Gemeinschaftslebens nach der Pandemie beginnen können. Deshalb freuen wir uns auf weitere Wallfahrten nach Wartha, Albendorf, Zuckmantel und Trebnitz. Wir freuen uns auf die neue Öffnung, bitten um Verantwortung und laden herzlich ein.

Bernard Gaida

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Mai-Reflexionen

Hinter uns liegt eine von Jahrestagen und Feierlichkeiten erfüllte Woche. Über den Jahrestag des Ausbruchs des III. Aufstandes wurde schon viel geschrieben. Die Maitage sind aber auch Jahrestage des Endes des Zweiten Weltkrieges. Nur wenige Tage trennen diese Jahrestage voneinander und als ich über die Nähe dieser beiden Daten nachgedacht habe, erkannte ich, wie tragisch die Generation meiner Urgroßeltern gewesen ist, die bewusst zwei Weltkriege miterlebt haben, aber auch hier in Schlesien ihre dramatischen Folgen ertragen mussten. Irgendwie waren die Sieger immer weit weg, in Paris, Warschau oder Moskau. Die tragischen Folgen ihrer Siege trafen die einfachen Menschen hier auf schlesischem Boden.

Denn der Ausbruch des III. Aufstandes war unzertrennlich verbunden mit dem Versailler Vertrag, dem es nicht unbedingt gelungen ist, in Europa Frieden einzuführen, wenn schon zwei Jahre nach dessen Unterzeichnung der Aufstand Realität wurde. Heute wissen wir, dass die gemeinsamen Interessen Polens und Frankreichs der Nährboden für den Konflikt waren, doch noch besser zeigt die Schwäche des Vertrages die Tatsache, dass bereits 20 Jahre später in Europa ein noch schrecklicherer Krieg tobte.

In Schlesien endete keiner der Kriege mit Frieden, beide führten zu Grenzverschiebungen, beide zwangen zunächst Hunderttausende, dann Millionen Menschen zur Flucht, Aussiedlung und endeten mit einem Trauma der Vertriebenen. Propagandistische Slogans von einer Befreiung klingen hier also falsch.

Doch diese Gedanken erleichtern mir den Blick auf andere, manchmal unterschätzte und vergessene Maifeierlichkeiten. Wer erinnert sich denn daran, dass am 5. Mai 1949 der Europarat entstanden ist und am 9. Mai 1950 Robert Schumann, damaliger französischer Außenminister, in Paris eine Deklaration aussprach, die zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte, dem ersten Stadium der heutigen Europäischen Union. Das zweite Datum ist heute als Europatag bekannt, und es verdient diesen Namen, denn es war eine Gemeinschaft, deren Mitbegründer Staaten waren, die sich noch fünf Jahre zuvor brutal bekämpft hatten.

Vor dem Hintergrund des Europatages, der zu Ehren des Aufbaus von Einigkeit statt Feindschaft, der Überwindung des Hasses und des Ballastes der Vergangenheit, des Baus einer freundschaftlichen Zusammenarbeit ausgerufen wurde, ist die Feier des Ausbruchs eines blutigen, brudermörderischen Konfliktes und sogar eine unreflektierte Glorifizierung dieser Siege ein Anachronismus. Es sei denn, sie sind eine zeitlose, kluge Reflexion über das Opfer aller Gefallenen und eine Warnung vor Hass, Spaltungen und Politikern, die den Frieden und die gesellschaftliche Ordnung stören. Und an solchen fehlt es auch heute nicht.

Bernard Gaida

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Gedenkort 1921

Das aus Sicht des Staates wichtigste Datum der Feierlichkeiten zu 100 Jahren Schlesischer Aufstände, also der Jahrestag des Ausbruches des III. Aufstandes, liegt hinter uns. Das Internet ist voll unterschiedlicher Kommentare. Außerhalb der offiziellen Feierlichkeiten, die ich nur als Radioübertragung gehört habe, nahm ich an diesem Tag am Gedenken auf dem Annaberger Friedhof sowie in Kranowitz teil. Ich denke, bei der Bewertung dieses Tages muss man die symbolischen Feiern, die von der deutschen Volksgruppe in Schlesien und die mit Pomp organisierten offiziellen Feierlichkeiten einander gegenüberstellen. Kann man daraus Lehren für die Zukunft ziehen?

Ich schreibe diese Kolumne natürlich aus der Sicht des VdG, dessen Vorsitzender ich bin und der als Organisation bereits im Jahr 2019 an die staatlichen Organe appellierte zu erkennen, dass damals Schlesier sich gegenüberstanden, aber sowohl die einen als auch die anderen taten es aus Liebe zum Vaterland. In unserer Resolution appellierten wir, die Jahrestage im gesellschaftlichen Einvernehmen und mit Achtung für das Geschichtsbewusstsein der anderen Seite zu begehen sowie in Schlesien einen Gedenkort des damaligen Konfliktes zu errichten, der im Geist der regionalen sowie deutsch-polnischen Versöhnung mit europäischer Perspektive gehalten wäre. Der aus der Umgebung von Rosenberg stammende Bischof Andrzej Czaja zeigte sich mit der Resolution solidarisch, was wir dankbar anerkennen.

Doch die Organisatoren der offiziellen Feierlichkeiten haben den Appell der deutschen Minderheit eher nicht angenommen. Unsere Feierlichkeiten fanden daher parallel statt, jedoch nicht nach dem Modell, dass jeder seiner Opfer gedachte. Denn unsere Delegation erwies die gleiche Ehrbezeigung auf den Gräbern der deutschen Verteidiger Oberschlesiens wie der polnischen Aufständischen. Bei den offiziellen Feierlichkeiten nahm der Appell Gestalt an lediglich in Form eines Gebetes für Gefallene ungeachtet ihrer Nationalität, nicht aber als gleiche Ehrerbietung auch für die Haltung der die Integrität Deutschlands verteidigenden Kämpfer. Mit Oberschlesien innerhalb seiner Grenzen.

Diese Tatsache kann man mit Resignation hinnehmen. Man kann aber auch den Weg der eigenen Bestärkung in der deutschen Identität und des historischen Gedächtnisses Oberschlesiens wählen, um von ihr zeugen zu können. Heute gibt uns die Volkszählung die Möglichkeit eines solchen Zeugnisses. Am Sonntag dagegen, als ich im strömenden Regen zwischen denen stand, die ihr Leben hingegeben haben, um Oberschlesien von Deutschland zu trennen, und denen, die wollten, dass es dort bleibt, fühlte ich, dass wir einen Ort des gemeinsamen Gedenkens bauen müssen, den Schlesien nicht hat. Und dass die Deutschen in Schlesien dazu reif geworden sind. Ein symbolischer Ort, der aller Opfern gedenkt, von der Tragik der Teilung, von Versöhnung in Vielfalt und der in regionaler Gemeinschaft für die Zukunft zeugt. Tun wir es!

Bernard Gaida

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