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Bernard Gaida

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Erwartung

Ich lebe lange genug, sodass ich warten kann. Aber im Fall der Gedenkfeierlichkeiten auf dem St. Annaberg dauert das Warten bereits zu lang und es erfüllt mein ganzes Leben.

Als Kind, Schüler und Messdiener besuchte ich den heiligen Berg der Schlesier, seitdem ich denken kann. Dort realisierte sich mein Schlesien-Lernen, doch es geschah nur an einem Teil des Ortes. Die Kirche, das Kloster, der Kalvarienberg, die Einsiedelei, die Grotte, das Pilgerheim. Die Verbeugung vor dem Kreuz auf dem Paradiesplatz, mit der jeder Besuch dort begann. Der andere Teil war eine fremde Welt, vor dem mich die Oma gewarnt und mit geheimnisvoller Stimme gebeten hat, ich möge nie meinen Fuß auf den Platz vor dem Dunikowski-Denkmal setzen.

Sie selbst erlebte im Amphitheater ein nationalsozialistisches Treffen für Schüler und Jugendliche, bei dem ein Parteifunktionär, von der Glocke auf dem Gipfel des Annabergs unterbrochen, geschrien hatte, dass auch sie eines Tages dank des Führers verstummen werde. Für meine Oma war es eine ähnliche Gotteslästerung wie die späteren polnischen, sozialistischen Attacken auf die Religion. Sie standen zu ihr im Widerspruch und haben sie bedroht.

Neben der ideologischen Mahnung gab es auch eine moralische. Für meine Eltern und Großeltern war es nämlich ein Frevel, das Mausoleum der deutschen Verteidiger Oberschlesiens und der staatlichen Integrität vor polnischen Truppen, in dem sich ihre Asche befand, in die Luft zu sprengen. Sie meinten, die Detonation musste ihre Asche auf dem Platz vor dem neuen kommunistischen Denkmal für die Aufständischen verstreut haben. Um also nicht auf sie zu treten, sollte man nicht zum Denkmal gehen.

Der Missklang war dem Annaberg fest zugeschrieben und erst der Besuch des Papstes im Jahr 1983 sowie seine Worte, diese Erde brauche eine vielfältige Versöhnung, löste in uns eine Erwartung aus. Hunderttausende dort versammelte Schlesier wurden mit Hoffnung angesteckt. Doch sie dachten wohl nicht, dass es bis heute dauern würde. Die Welt hat sich verändert, der Sozialismus ist gefallen und Hammer und Sichel blieben nur noch auf dem Dunikowski-Denkmal. Die deutsche Minderheit wurde anerkannt, Ortsnamen haben auch eine deutsche Bezeichnung, der früher in Schulen verbotene Deutschunterricht kehrte zurück, aber der Annaberg ist immer noch in zwei Teile geteilt. In eine den Schlesiern nahe Gebets- und Pilgerzone und eine uns inhaltlich fremde staatliche Zone.

Zum wiederholten Mal habe ich auch in diesem Jahr an den polnischen Präsidenten die Bitte geäußert, während der Feierlichkeiten am 2. Mai diese Teilung zu überwinden und aller in diesem tragischen, von äußeren polnischen Kräften ausgelösten Aufstand gefallenen Opfer zu gedenken. Vor zehn Jahren hat der damalige Präsident Komorowski diese Bitte gehört und seine Worte schienen der Beginn der Realisierung des Appells von Johannes Paul II. zu sein. Jetzt warten wir wieder und glauben daran, dass der Staatspräsident sich über die engen, lokalen, archaischen und vom historischen Wissen losgelösten Aussagen und Taten stellen kann.

Bernard Gaida

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Mit bangem Herzen

„Mit bangem Herzen in die Nacht hinein” heißt ein Buch, das durch seinen Umfang imponiert und den Leser durch seine Authentizität in den Bann zieht. Ich meine das vom HDPZ zweisprachig herausgegebene Tagebuch von Adalbert Adamski aus Frei Kadlub, in dem er das Schicksal eines einfachen deutschen Soldaten zu Zeiten des Ersten Weltkrieges beschreibt.

Das Tagebuch ist keine chronikhafte Beschreibung der Kriegshandlungen (auch wenn er von ihnen erzählt), sondern eher ein Bericht aus den Schützengräben, den Quartieren und vom Überleben. Von der Angst vor Minen, vor Kampfgas bis hin zum Zeugnis authentischen Deutschtums eines Schlesiers aus der Nähe von Guttentag, der mit Soldaten aus Brandenburg konfrontiert wurde.

Das eindrucksvolle Zeitdokument, das in schönstem Deutsch geschrieben wurde, lag 100 Jahre lang als Handschrift versteckt, bis es ins Regionalmuseum nach Zembowitz kam, wo es so beeindruckt hat, dass man sich entschieden hatte, es zu drucken. Das Buch macht gleichzeitig bewusst, welche historischen Quellen sich außerhalb der Museen, Archive und Bibliotheken befinden. Auch das Projekt des DFKs Guttentag „Unsere Heimat vor 100 Jahren” basiert auf lokal erschlossenen Quellen. Ein wichtiges Merkmal solcher Quellen ist ihre Unabhängigkeit von staatlicher Manipulation der Geschichte und somit ist es schwer, sie in die Rahmen der offiziellen Geschichtsschreibung hineinzuquetschen. Da wird Geschichte menschlich geschrieben, mit Emotionen und Ehrlichkeit, wie in dem Satz Adamskis, den er im Schützengraben geschrieben hat: „Da schwanden ja oft ganz die Sinne dabei, man weiß meist gar nicht richtig, was geschieht und erwacht immer wieder beim nächsten Krachen, das hört sich genauso an, wie stärkster Donner. (…) Nervenschock – das Vorstadium des Wahnsinns“.

Zur Quelle werden auch die Erinnerungen, die in den Familien weitergegeben werden, wie der Bericht von Frau H. B. aus Guttentag, die weiß, dass ihrem Vater im Jahr 1921 befohlen wurde, mit seinem Leiterwagen die Leichen der gefallenen angeblichen Aufständischen „in Richtung Tschenstochau“ zu bringen. Das bestätigen andere niedergeschriebene Berichte, wonach die Hauptkräfte, die Guttentag damals angegriffen haben, aus Soldaten der Tschenstochauer Garnison bestanden. Derart ungefilterte Berichte strafen auch so starke Mythen Lügen, wie die von der allgemeinen „Auflehnung des schlesischen Volkes“ gegen die Deutschen. Albert Adamski dagegen weist auf Manipulationen hin, wonach Schlesier sich nicht als Deutsche fühlen und er zeigt eher, dass ihr schlesisches Deutschtum von den Kollegen aus anderen Teilen des Reiches nicht verstanden wurde.

Unsere Pflicht ist, diese wertvollen Quellen zu bewahren und zu veröffentlichen. Es ist unser aller Pflicht, denn die Zerstreuung, lokale Verbundenheit und die Unklarheit über ihren Wert führen dazu, dass nur ein Engagement lokaler Patrioten dies bewerkstelligen kann. Es scheint, dass wir z. B. mit dem Forschungszentrum der Deutschen Minderheit auf einem guten Weg sind.

Bernard Gaida

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In Memoriam

Am Montag (12.04.) habe ich noch überlegt, worüber ich in meiner Kolumne schreiben soll. Darüber, wie die schön gedruckten Plakate des VdG, die zum Deklarieren der deutschen Nationalität bei der Volkszählung animieren sollen, aus Informationstafeln in den Gemeinden herausgerissen werden? Oder darüber, wieso das Statistische Hauptamt nichts über eine eventuelle zweite Staatsbürgerschaft erfahren will? Oder auch, wieso die Ältesten von uns nicht die Möglichkeit haben, Deutschland als Geburtsland anzugeben, denn als solches müssen sie den Staat nach den heutigen Grenzen angeben?

Alle Themen wurden aber unwichtig, als ich am Vormittag vom Tod Artur Tomalas, des Bürgermeisters von Landsberg erfahren habe. Ich wusste, dass er im Krankenhaus liegt und sein Zustand problematisch ist und doch hat mich die Todesnachricht tief erschüttert. Wir haben uns kennengelernt, als ich in meiner Funktion als Vorsitzender des Stadtrates von Guttentag, Leader des Bürgerkomitees der Schlesier und aktives Mitglied des DFK Guttentag an Treffen der sog. Minderheitengemeinden teilgenommen habe, die versuchten, den Landkreis Rosenberg in der Woiwodschaft Oppeln wieder zu errichten. Ohne diese Initiativen gäbe es diesen Landkreis heute nicht und damals auch nicht mehr die Oppelner Woiwodschaft. Die Stadtherren von Rosenberg standen diesem Vorhaben skeptisch gegenüber. Nach Meinung der Begründer der damaligen Gebietsreform waren die Minderheitengemeinden auch zu wenige für einen eigenen Landkreis. Artur gehörte zu denen, die zweifellos einen Sieg errungen haben, indem sie zwei Gemeinden der Wieluner Region, Praszka und Rudniki, überzeugten, mit uns gemeinsam den neuen Landkreis zu gründen. Und so war er immer. Schlichtend, dabei aber nie seine eigene Haltung und Überzeugungen verlierend.

Wir sind uns später mehrmals begegnet, als man diese ungewöhnliche Mischung von Gemeinden integrieren musste, was in hohem Maße mir als damaligem Vorsitzenden des ersten Kreisrates von Rosenberg zufiel. Ich konnte aber immer auf Artur zählen. Auch als Mitglied des Vorstandes der SKGD in Oppeln und des VdG traf ich ihn regelmäßig bei den einzelnen DFK-Ortsgruppen in der Gemeinde Landsberg. Dort sah ich, wie verbunden er sich mit den Mitgliedern fühlte, auch mit denen, die viel älter waren als er. Er gewann sie mit seiner eigenen Bescheidenheit und der aufrichtigen Wertschätzung. Dass half ihm immer wieder, die Kommunalwahlen zu gewinnen und ohne Konflikte jede weitere Amtsperiode abzuschließen.

Er hat sich seiner Heimatgemeinde gewidmet, aber so, wie sie in Wirklichkeit ist, also einer schlesischen, national und konfessionell vermischten. Ihre Spezifik in Kultur und Bildung hat er unterstützt. Ich denke, sein würdiger Nachfolger kann nur jemand sein, der diese Richtung beibehält und verstärkt.

 

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Ostertraditionen

Es gibt wohl keine Zeit im Jahr, die so erfüllt wäre von Traditionen wie Ostern. Sie tragen in sich religiöse Inhalte, die mit der Auferstehung Jesu und seiner Leiden und der Kreuzigung zuvor verbunden sind - aber auch eine allgemeine Botschaft der Geburt neuen Lebens, verbunden mit dem Frühlingserwachen. Diese Inhalte sind miteinander vermischt, was immer bewiesen hat, dass man Religion nicht auf den Kirchenraum begrenzen und sie als verstecktes, privates Bekenntnis des Menschen betrachten kann.

Es verlangte immer danach, auf die Felder zu gehen, um an Karfreitag mit einem Gebet um Wohlergehen auf den Lippen zu kreuzeln, also Kreuze in die oft noch gefrorene Erde zu stecken oder ein gemeinsames Gehen zu einer Quelle, um an Karsamstag dort das Gesicht zu waschen. An Gründonnerstag verstummen in den Kirchen die Glocken und geben ihre Aufgabe an die Ratscheln ab, um dann mit noch mehr Kraft und „neuem“ Klang am Ostersonntag die Freude der Auferstehung zu verkünden. Die Symbole des Eises, ebenso die des Wassers und des Lichtes ergänzen sich. Die Freude der Glocken, aber auch die der Kinder, die Eier suchen, das freudige Quietschen der Mädchen, wenn sie mit Wasser oder eleganter mit Parfum vom männlichen Teil der Familie und der Nachbarschaft bespritzt werden, sind so anders als die gerade zu Ende gegangene Fastenzeit.

Viele Kirchen bemühen sich, damit das Fest der Auferstehung auch ein Sonntag der Heiligen Taufe ist, als geistliche Geburt zu begehen. Diese Dichotomie des Lebens erlebt man vor allem im Heiligen Land, wo sich am Jordan, der durch die Wüste strömt, Pilger aus aller Welt versammeln, um im Wasser, das gar nicht so kristallklar ist, aber spürbar Leben in die vertrocknete Landschaft bringt, einzutauchen. Dort erlebt man mit einer gewissen Überraschung, dass das Heilige Grab gleichzeitig „der Ort“ der Auferstehung ist, an dem in stundenlangen Schlangen Tausende Menschen warten. Ob sie nun eher das Grab Jesu oder den vom Auferstandenen verlassenen Ort erleben wollen, hängt von jedem einzelnen Pilger ab. Von seinem Glauben an die Worte: „Der Herr geht dir immer voraus, er geht immer vor dir. Und mit ihm beginnt das Leben immer neu.“

Dabei helfen gute Traditionen, die nicht aus dem tieferen Sinn herausgerissen wurden, die Integrität des Glaubens und des gesellschaftlichen Lebens zu wahren. Sie erfüllen noch mehr den Menschen. Ihre Pflege lehrt, sich zur konkreten Angehörigkeit und Herkunft zu bekennen. Ohne politischen Opportunismus. Wie wichtig diese Fähigkeit ist, erfahren wir u. a. bei der Volkszählung, die danach durch trockene Formeln fragt.

Bernard Gaida

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