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Kolumne 08.04.2016 - Die Tugend der Klugheit

„Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Mt 10,16). Dies ist ein evangelischer Aufruf zur Klugheit. Diese Klugheit beschreibt der Katechismus als „jene Tugend, welche die praktische Vernunft bereit macht, in jeder Lage unser wahres Gut zu erfassen und die richtigen Mittel zu wählen, um es zu erlangen“. Diese Tugend der Vernunft fehlt im Moment. In die bis ans äußerste zerstrittene Gesellschaft, die in Angelegenheiten wie das Verfassungsgericht, die Ackerböden oder die Einstellung zur EU und den Flüchtlingen geteilt ist, haben die Bischöfe noch den Streit über das Gewissen und die Sünde eingeführt. Im Endeffekt befindet sich seit letzter Woche das Gespräch über Moral ohne Respekt gegenüber der Sensibilität der Angelegenheit und gegenüber dieser Menschen, die ehrlich auf beiden Seiten des Streites stehen in einer noch weitern als es schon war Strömung des polnisch-polnischen Hasses, der Teilung und der Gosse. Ich bin ein Befürworter dessen, dass das Leben heilig ist und bin gegen Abtreibung, aber ich weiß, das alles was zu diesem Thema gehört, auch zum Bereich des Respektes gegenüber dem menschlichen Leben gehört, auch zur Einstellung zu Gott, zu einem Bereich, der vom Menschen Zärtlichkeit fordert. Jede moralische Angelegenheit und besonders eine wie diese, die so tief mit den zwischenmenschlichen Beziehungen verbunden ist, mit der Verantwortung für andere, mit der Tatsache Leben zu schaffen, bedarf Stille, Respekt, Reflexion und Gebet. Die Kirche in ihrer über Jahrhunderte erlangten Weisheit hat es geschafft, ein Modell eines solchen Gespräches auszuarbeiten. Der Beichtstuhl ist ein Synonym der Intimität, er steh meistens diskret hinten in der Kirche und das Geheimnis der Beichte ist heilig. In der jetzigen Angelegenheit der Abtreibung haben die Bischöfe aber auf die evangelische Funktion oder die Seelsorge verzichtet. Stattdessen haben sie das Gespräch in Richtung der Veränderung der Vorschriften geleitet. Die jetzigen Vorschriften „erlauben“ es jedoch die Schwangerschaft nur bei bestimmten Gegebenheiten abzubrechen, sie zwingen niemanden dazu. Die Rolle der Kirche ist also die Seelsorge, die durch die Katechese, die Weisheit der Priester, das Beispiel des Heiligtums des Leben, das von Laien ausgeht, aber auch durch den Glauben an die Barmherzigkeit Gottes, den Menschen klar macht, dass die Abtreibung dem Glauben wiederspricht. Diese Erkenntnis kann nämlich zum Verzicht auf die Abtreibung im individuellen Leben führen. Dies kann jedoch nicht durch Anordnungen oder den Triumphalismus der Regierenden erreicht werden. Die fehlende Vernunft hat die Chancen auf einen nachhaltigen Anstieg der geistlichen Bewusstheit bezüglich des Daseins als Mutter verringert. Sie hat hingegen dazu geführt, dass alle sich in einen Konflikt des Extremen engagiert haben. Dieser Konflikt führte dazu, dass alle die zweifeln, Angst haben, den Weg im Leben verloren haben oder ihn suchen, handlungsunfähig geworden sind. Vielleicht deswegen wurde, wie ich höre, in vielen Pfarrgemeinden meiner Diözese der Brief wurde nicht vorgelesen. Der Graben der die teilt, die schon geteilt waren, ist noch tiefer geworden.

Letzte Änderung am Mittwoch, 08 Februar 2017 20:44