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Kolumne 15.04.2016 - Die Reise einer Woche

Die letzte Woche gab mir die Möglichkeit eines beschleunigten Prozesses der Wahrnehmung vieler Probleme Europas, Deutschlands, Polens und schließlich auch der deutschen Minderheit.  Die humanitäre Katastrophe der Flüchtlinge und Migranten gewöhnte uns schon an die geteilten Meinungen der deutschen Bevölkerung. Eine Visite am Donnerstag in Nordrhein-Westfalen erlaube mir in Beelen zu weilen. Es ist eine der kleinsten Gemeinden dieses Bundeslandes mit ungefähr 6000 Einwohnern, in der im Moment ungefähr 300 Flüchtlinge leben. Die Menschen in dieser Gemeinde geben dort Kindern ehrenamtlichen Unterreicht. Unter diesen Kindern gibt es eine Gruppe ohne Eltern, weil das Geld in der Familie nur dafür gereicht hat „sie in eine bessere Welt zu schicken“. Diese Tragödie erschütterte das Dorf und mobilisierte zur Hilfe entgegen den Worten anderer Menschen, die gegen die Immigranten sind. Einige Stunden später fand ich mich in Haan – der Partnerstadt Guttentags wieder. Dort war ich im Kreise von Enthusiasten eines gemeinsamen Europas, die voller Sorge wegen den Veränderungen in Polen sind und wegen dem steigendem Konflikt mit der Europäischen Union. Sie konnten nicht verstehen wie ein Land, dass über Jahrzehnte hinaus den Eintritt in die Gemeinschaft Vermisst hat, jetzt deren Standards bricht. Damit baut es aber auch die im westlichen Europa schon vergessene Überzeugung aus, dass der Osten Europas doch auf einem anderen zivilisatorischem Niveau ist. Auch die Abkühlung der deutsch-polnischen Beziehungen trug zur Sorge meiner Gesprächspartner bei, das aber kann für die Partnerschaft gute Folgen haben, weil wir gemeinsam zu der Erkenntnis gekommen sind, dass in einer Situation in der die Politiker enttäuschen, eine viel größere Bedeutung jegliche Kontakte gewöhnlicher Menschen haben. Das Wochenende habe ich hingegen in Sensburg verbracht, wo Deutsche aus dem ehemaligen Ostpreußen gemeinsam mit den Menschen aus der Landsmannschaft sich darüber Gedanken gemacht haben, wie man an die kommende Generation seine eigene Identität überträgt. Die Kraft und den Träger dieser Identität sehen sie in der Sprache und in der  Bindung an die deutsche Kultur, aber die Chance sehen sie auch sehr stark im Einvernehmen mit den Polen. Deswegen gibt es auch hier Unruhe, wenn es um die neue Atmosphäre der Zwietracht nicht nur im Kontakt mit Europa aber auch in der polnischen Gesellschaft selber geht. Die zerstörende Kraft der Feindschaft, trotz der schönen Worte des Präsidenten Andrzej Duda, schien in den Feierlichkeiten der Smolensk-Tragödie zu dominieren. Ein helles Element des Gedenkens war hingegen die heilige Messe in der man es geschafft hat über Eschatologie und die Freude der Erlösung, anstatt über die düstere Feindschaft, die Polen teilt, zu erzählen. Eine unruhige Zeit steht vor uns.

Letzte Änderung am Mittwoch, 08 Februar 2017 20:44