Brief aus dem Heiligen Land
- geschrieben von Bernard Gaida
- Publiziert in Blogs
Wenn dein Reiseführer ein Bibelkundiger ist, wird die Reise durch Cäsarea, Nazareth, Kafarnaum, Magdala, Bethlehem, En Kerem, Jerusalem und viele andere Orte zu einer Reise nicht nur durch mehrere Jahrhunderte Bibelgeschichte, sondern auch durch die Geschichte der ersten Pilger und Kreuzritter, Sakralbauten und Klöster sowie durch ein zu denken gebendes Dasein des Christentums trotz völligen Wechsels der Herrscher und der dominierenden Religionen von den Zeiten Jesu bis heute. Wenn der Reiseführer zudem Theologe ist, werden im Heiligen Land die Lehre der Kirchenväter, der Mailänder Vereinbarung, der Strömungen des Nestorianismus, die Einflüsse der ersten Synoden, der byzantinischen und römischen Kirche sichtbar. Das Heilige Land lehrt auch, dass es möglich ist, aus einem Land mit einem blühenden Christentum durch Überfälle eine Region ohne Kirchen und mit einem dominierenden Islam zu machen. Und gleichzeitig lehrt es, dass das Christentum trotzdem weiter besteht.
Heute jedoch ist die Sprache der Christen in Palästina arabisch und in dieser Sprache verzieren viele Bewohner von Bethlehem die Hausfassaden mit Zitaten aus der Heiligen Schrift. Genauso tun es ihre muslimischen Nachbarn mit den Suren des Korans. Das Heilige Land zeigt, wie wenig eurozentristisch die Kirche heute ist. An allen Orten sieht man andächtige und betende Gesichter aller Kulturen Asiens, Afrikas, Südamerikas. Indianer, Hindus, Thais, Japaner, Chinesen, Koreaner neben Afrikanern und Arabern. Locker angezogene Europäer aus dem Westen neben Russinnen, die ihre Köpfe mit Tüchern bedecken, kurze Hosen neben langen Saris und bunt angezogenen Bewohnern Afrikas. Katholiken, Russisch-Orthodoxe und Protestanten - für sie alle ist die Erde, auf der Jesus gegangen ist, heilig. In den Gotteshäusern, die mehrheitlich in den letzten zwei Jahrhunderten entstanden sind, sieht man Aufschriften in griechischer, lateinischer und arabischer Sprache und an den Wänden vor der Kirche Mariä Heimsuchung in En Kerem das Magnificat in unzähligen Sprachen der Welt.
Wenn man auf diese fröhliche Gemeinschaft in der Geburtskirche schaut, auf die weißen, schwarzen und gelben Gesichter in Franziskanerkutten, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Krise der Kirche ein Problem unseres Erdteils ist. Hier im Heiligen Land ist die Kirche lebendig und sie verblüfft mit ihrem Strahlen neben der jüdischen und arabischen Kultur. Wenn man durch die Straßen geht, durch die schon Jesus gegangen ist, dann vor der Klagemauer in Jerusalem steht und ungezwungen durch eine Synagoge geht, in der gerade Juden im Gebet vertieft sind, versteht man, wieso sie die älteren Brüder im Glauben genannt werden. Und wenn über den Köpfen der betenden Christen und Juden auf einmal die Stimme des Muezzin die Muslime zum Gebet ruft, spürt man keinen Missklang. Es ist wohl so, weil Menschen mit einer starken Identifikation und einem starken Glauben keine Angst vor der Offenheit gegenüber anderen haben.
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