Reine Hände der Geschichte
- geschrieben von Bernard Gaida
- Publiziert in Blogs
Ein beliebter Ausdruck, ja sogar eine Binsenweisheit lautet, dass es in der Geschichte keinen Staat gegeben hat, dessen Taten immer gerecht und dessen Hände immer rein gewesen wären. Und doch geben sich die Gesellschaften dieser Illusion hin, vor allem bei Jahrestagen rühmlicher Schlachten. Ganze Völker sind im Stande zu vergessen, dass man alles in den richtigen Proportionen betrachten und Kriege vermeiden sollte.
Schon seit Tagen denke ich über die Bedeutung der Schlacht um Warschau nach, auch das Wunder an der Weichsel genannt, nach, aber auch über die Epoche und die Menschen, die damals lebten. Die Schlacht ist ja ein Element des polnisch-bolschewistischen Krieges, der zwischen 1919 und 1921 dauerte und im März 1921 mit dem Rigaer Frieden beendet wurde. Der Krieg war im Grunde das Ergebnis zweier unterschiedlicher Interessen. Polen versuchte nach der Rückkehr auf die politischen Landkarten in Folge des Ersten Weltkrieges im Osten bis an seine Grenzen aus der Zeit vor den Teilungen zu kommen, die Bolschewisten dagegen wollten so weit wie möglich ihren Einfluss ausdehnen. Die Rote Armee kam bis an Warschau heran, was zu der berühmten Schlacht führte, deren 100. Jahrestag, der auf den Feiertag Mariä Himmelfahrt fällt, gerade begangen wurde.
Wir sehen aber, dass die Kämpfe Polens mit der UdSSR in dieser Zeit für die Litauer gleichbedeutend sind mit der bewaffneten Annexion von Vilnius durch die Polen im Oktober 1920, für die Ukrainer dagegen ist es der Verrat ihrer Interessen durch die Teilung des Landes zwischen Polen und der UdSSR. Für die Schlesier ist es ein Teil des gesamten Konfliktzeitraums in Oberschlesien, der nach heutigem Wissen durch immer neue Publikationen, nicht einmal ein Bruderkrieg der Schlesier gewesen ist, sondern eine vom polnischen Geheimdienst gesteuerte und finanzierte Sabotageaktion auf dem Gebiet der Weimarer Republik. Es ist schwer zu glauben, dass eine Armee, die im Osten gegen den sowjetischen Andrang ankämpfen musste, die ganze Zeit kostspielige und illegale Operationen auf dem Gebiet eines anderen Staates im Westen durchgeführt hat. Nationale und soziale Spannungen wurden ausgenutzt, was eben der Grund für die Kämpfe ist, die man heute den Zweiten Schlesischen Aufstand nennt.
Genau am 17. August 1920 floss in Kattowitz zunächst das Blut deutscher unbewaffneter Demonstranten, auf die französische Soldaten geschossen haben, was zur Aggression der Menschenmenge und Selbstjustiz gegenüber einem polnischen Aktivisten führte. Das Ganze dann, statt nach dem Ansinnen des Völkerbundes, der die Volksabstimmung vorbereitete, zu mildern, wurde noch verstärkt durch den Aufruf zum Generalstreik. Der Aufruf Korfantys entfachte militärisches Handeln von bereits vorbereiteten Einheiten, was weitere Opfer, Raub, Selbstjustiz und Brandstiftung nach sich zog.
Wenn ich auf diese Ereignisse aus der Perspektive von 100 Jahren danach schaue, weiß ich, dass der erste Satz dieses Textes wahr ist, genauso wie die folgende Aussage, auf die ich im Internet gestoßen bin: „Hört auf Kinder zu lehren, dass Krieg Ruhm und Heldentum bedeuten. Lehrt sie, dass wahrer Ruhm bedeutet, Krieg zu verhindern und Helden die Menschen sind, die dies erreichen“.