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Nationalismus

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Die Flagge der Ukraine ist seit einiger Zeit auf meinem Facebook-Profilbild zu sehen. Am Sonntag habe ich auf meiner Seite Udo Lindenbergs Protestlied "Wozu sind Kriege da" aus dem Jahr 1981 veröffentlicht. Darin wird diese Frage an einen namentlich nicht genannten Präsidenten gerichtet ist. In der DDR meinte man damit den US-Präsidenten, aber heute passt der Text sicher zu Putin. Das sind nette, aber kraftlose Zeichen der Solidarität mit den Menschen, die von der an der Grenze stationierten russischen Armee bedroht werden.

Gestern hat Putin eine weitere Grenze überschritten und die Unabhängigkeit zweier selbst ernannter Republiken im Donbass offiziell anerkannt. Als er dies ankündigte, räumte er ein, dass die Ukraine kein Staat oder Nation sei, sondern tatsächlich nur ein annektierter Teil Russlands. In Kürze werden gemäß seinem Befehl russische Einheiten dieses Gebiet offiziell betreten. Denn inoffiziell sind sie in Form von „Grünen Männchen“ von Anfang an da. Die westliche Welt, so wie sie ist, droht mit ohnmächtigen Sanktionen.

Ich lese gerade Goetz Alys hervorragendes Buch „Europa gegen die Juden“. Kritisch sieht der Historiker Woodrow Wilsons Idee der „Selbstbestimmung“, die er nach 1918 in Europa implementierte. Er schreibt, dass Wilson unter diesem Konzept „den von den USA geprägten Weg zur nationalen Unabhängigkeit, zu modernen Verfassungen mit demokratischer Legitimität, zur Rechtsstaatlichkeit, zu einem fairen Ausgleich zwischen den Nationen und ihren Interessen, zur Reduzierung von Gewalt und egoistischer Aggression verstand". Dieser Idee verdankt auch Polen seine Existenz, das zusammen mit anderen Ländern auf den Ruinen multinationaler Monarchien errichtet wurde. Aber schon damals sah Wilsons Berater Lansing diese Idee als "eine Ladung Dynamit" an und sagte: "Ich sehe die Gefahr, solche Ideen in den Köpfen bestimmter Personengruppen zu verankern." Durch diese Idee geweckte Egoismen ließen damals Polen entstehen, nicht aber die Ukraine. Der Schriftsteller Alfred Döblin schrieb 1924 bei einem Besuch in diesem neuen Polen: „Die Staaten von heute sind das Grab der Nationen.“ So sah er den Staat, dessen Gestalt „mehr oder weniger zufällig“ sei und der die Masse „seiner Untertanen“ nicht aufwertete, sondern sie in die Barbarei des Nationalismus trieb. „Was für ein dreister Stolz, die sogenannte Volksgemeinschaft (...) über alle anderen zu stellen. Die Freiheit, die sie predigen, widerspricht anderen ebenso wichtigen Freiheiten (...). Ich will keine Nation als Selbstzweck.“

Wenn ich diese Worte lese, sehe ich diese nationalen Egoismen nicht nur in Putins Handlungen, der sich das Recht anmaßt, den Begriff der Nation zu definieren, sondern auch in der willkürlichen Entscheidung von Minister Czarnek, der sich das Recht herausnimmt zu sagen, dass deutsche Kinder in Polen weniger Unterricht ihrer Sprache verdienen als andere.

Bernard Gaida

Letzte Änderung am Freitag, 25 Februar 2022 13:37