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"Humboldtstraße Zwei" - ein Roman über eine schlesische Familie

Über das Buch:

Erich Plackwitz ist in den Dreißigerjahren als Richter am Amtsgericht in Jauer, einer Kleinstadt in Schlesien, tätig. Er verachtet Hitler und den Nationalsozialismus, dennoch muss er hilflos zusehen, wie sich Deutschland vom Rechtsstaat immer mehr zum Unrechtsstaat entwickelt. Seine Tochter Elise verlebt eine schöne Jugend im Elternhaus, gelegen in der Humboldtstraße Nr. 2; sie verliert dieses Zuhause nach Schule, Studium und Flakhelferinneneinsatz. Nach dem Krieg fasst sie in Westdeutschland Fuß, macht eine Ausbildung, heiratet und gründet eine Familie. Doch die Sehnsucht nach Schlesien brodelt weiter in ihr. Ihr Sohn Andreas kann das nicht nachvollziehen. Erst als seine Mutter alt ist und mit einer tödlichen Krebsdiagnose konfrontiert wird, beginnt er sich für ihre Lebensgeschichte zu interessieren. Ein altes Kriegstagebuch der Mutter hilft dabei.

„Humboldtstraße Zwei“ ist ein ausdrucksstarker Roman, der das Leben einer schlesischen Familie und zugleich das Leben in Deutschland, ausgehend von der Zeit des Nationalsozialismus, des Krieges und der Vertreibung über die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart, schildert.

Am Donnerstag, den 22. Juni, findet eine Lesung mit dem Autor statt:
Im Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München. Beginn ist um 19:00 Uhr.

Wegen der weiterhin bestehenden Corona-Auflagen ist nur eine begrenzte Zahl von Zuhörerinnen und Zuhörern zugelassen. Außerdem ist eine Anmeldung erforderlich: telefonisch unter 089.4499930 oder per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Das Buch kann man HIER auf der Internetseite des Autors bestellen.

Wir empfehlen.

Die schlesischste Wallfahrt

Nach dem Bericht von der Männerwallfahrt am Sonntag nach Deutsch Piekar bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Minderheitenwallfahrt auf den St. Annaberg die schlesischste aller schlesischen Wallfahrten ist. Einerseits, weil sich da die Schlesier versammeln, für die das Maß ihres Schlesiertums die Verbindung zu deutschen Kultur, Sprache und der Tradition ist. Andererseits, weil auf dem St. Annaberg die Achtung jeder schlesischen Identität fast immer Standard gewesen ist.

Es gab Zeiten, da fand jede größere Wallfahrt hierher zweimal statt, einmal auf Deutsch und einmal auf Polnisch. Dies führte dazu, dass ein Angriff auf jedwede Nationalität von der Kanzel aus unmöglich gewesen ist. Ich hoffe, das bleibt so und Worte, wie die von Erzbischof Wiktor Skworc aus Kattowitz, der sich beim Ölkonzern PKN Orlen bedankte für den Kauf der lokalen Presse und dabei unterstrich, dass dies aus Händen des „deutschen Kapitals“ geschehen ist, hier nie fallen werden. Dies würde dem „Berg des zuversichtlichen Gebets“ seine Heiligkeit nehmen.

Ich weiß nicht, wie viele Pilger in Deutsch Piekar weiterhin zuversichtlich beten konnten nach der Predigt des Erzbischofs, in der die Feindseligkeit gegenüber dem „deutschen Kapital“ so unterstrichen wurde. Ein Paradox oder eher ein Skandal war dabei die Tatsache, dass diese Worte in Schlesien gefallen sind, wo jedes Stückchen Erde Spuren deutscher Arbeitsamkeit trägt und ihr jahrhundertelanger Glanz entstand und das deutsche Kapital begründete. Sie baute auch die schlesische Religiosität.

Es kann jemand sagen, dass die Transaktion von Orlen rein wirtschaftlichen Charakter hatte -und nur in diesem Kontext fielen die Worte des Erzbischofs. Und doch fühlen wir, dass hinter diesen Worten der Unwille gegenüber einem konkreten Kapital steckt, weil es deutsch ist. Wir fühlen es, weil wir schon die Idee des sog. Oberschlesischen Pantheons kennen, dass Erzbischof Wiktor Skworc auf Bestellung der Regierung in den Katakomben des Kattowitzer Doms baut. Ein Pantheon, das Hunderte von verdienten Schlesiern übergeht, nur weil sie sich deutsch fühlten und Deutsche waren. Das passt sehr gut zu den Worten, die in Piekar fielen.

Und zum Schluss einige Worte des Bedauern eines schlesischen Katholiken, der Verlegenheit und Scham fühlt, dass eine private Meinung, ohne Verbindung zum sonntäglichen Hochfest der Heiligen Dreifaltigkeit, von der Kanzel fiel. Eine nicht dem Geist des Evangeliums entstammende Meinung, die der Allgemeinheit, also dem katholischen Geist der Kirche entgegensteht, aber auch vielen Diözesanmitgliedern wehgetan hat. Den einen, weil sie sich mit dem Deutschsein verbunden fühlen, den anderen, weil sie die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien für ein wertvolles Gut der Demokratie halten. Ich lade zum 6. Juni auf den Annaberg ein. Unser Motto: Versöhnung, Freiheit, Erneuerung. Erlangen wir die Zuversicht neu.

Bernard Gaida

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Schlesisches Erbe

Das Internet in Oberschlesien war in der letzten Zeit wie elektrisiert aufgrund der Vorlage der „Stellungnahme der Regierung zur Vorlage der Abgeordneten einer Gesetzesnovelle über die nationalen und ethnischen Minderheiten sowie die Regionalsprache“. Trotz der enigmatisch klingenden Bezeichnung ist klar, dass es hierbei um den Versuch geht, das Gesetz so zu ändern, dass eine weitere Regionalsprache neben dem Kaschubischen eingetragen wird. Diese zweite Sprache sollte das Schlesische sein.

Auf den Seiten des Dokumentes machen sich die Autoren die Mühe zu beweisen, dass der schlesische Ethnolekt nur ein Dialekt der polnischen Sprache ist und deswegen nicht Teil des Gesetzes werden kann. Da ich kein Sprachwissenschaftler bin, will ich nicht auf die Einzelheiten der Diskussion eingehen, aber als Schlesier bin ich trotz meiner deutschen Nationalität auch Nutzer dieser für die einen Sprache und für die anderen Mundart. Ohne juristisch-linguistische Überlegungen will ich hier einige Gedanken niederschreiben.

In nicht ganz zwei Wochen begehen wir den 100. Jahrestag der Volksabstimmung auf einem großen Teil Oberschlesiens. Einer Volksabstimmung, die den damaligen polnischen Funktionären mit Roman Dmowski an der Spitze bis an die Oder als bereits gewonnen galt, denn auch deutsche Quellen schienen darauf hinzudeuten. Augustin Weltzel schrieb in seiner „Geschichte der Stadt und Herrschaft Guttentag”: „Schon vor 200 Jahren hieß das rechte Ufer die polnische, das linke die deutsche Seite“. Im nächsten Satz schrieb er dann, dass die meisten hier eine „slawische“ Sprache sprechen. Wie groß musste dann die Verwunderung sein, als klar wurde, dass das vermeintlich „polnische“ Oderufer mehrheitlich für den Verbleib bei Deutschland stimmte. Oberschlesien hat bewiesen, dass die Sprache nicht Synonym für Nationalität ist.

Als mein 16-jähriger Vater 1945 nach der Flucht in seine Nachkriegsheimat zurückkehrte und nur Deutsch sprach, lernte er schnell das sog. Wasserpolnisch, um den Folgen des rücksichtslosen Kampfes des polnischen Staates mit der deutschen Sprache zu entgehen. Gleichzeitig konnte er damit klar seine kulturelle Andersartigkeit und paradoxerweise auch seine deutsche Identität betonen. Diese Sprache, die voller Germanismen war, war für die Polen hermetisch und unverständlich. So wurde sie für Tausende in Oberschlesien diskriminierte Deutsche zu einem Fluchtpunkt. Und wieder zeigte Oberschlesien, dass die Sprache nicht Synonym der Nationalität und dass Oberschlesisch auch ein Erbe der deutschen Minderheit ist.

Schade also, dass der Staat die Versuche, dieses Erbe zu schützen sehend, sich darauf begrenzt, sie abzuschmettern ohne überzeugende Vorschläge zur Bewahrung des sprachlichen Reichtums Oberschlesiens. Dabei reicht es doch nur auf die Erfahrungen manch anderer europäischer Staaten zu schauen.

Bernard Gaida

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„Das Album von Hans 1934-1938“ – ein Film über einen Arzt und Fotografen aus Schlesien

70 Jahre nach dem Krieg findet Piotr Strzałkowski ein Album eines deutschen Fotografen mit fast anderthalb tausend Aufnahmen aus den Jahren 1934-38. Anfangs vermutet er stark zeitgeschichtlich gefärbte Bilder und im Hitlergruß erhobene Hände. Was er sieht, sind wunderschöne Landschaften, deutsche und europäische Städte, reiselustige Menschen, die das Leben in vollen Zügen genießen. Er wird neugierig und recherchiert fast sechs Jahre lang nach der Identität der abgebildeten Personen und des Fotografen. Der letzte ist Dr. med. Hans Hoehl, Arzt im niederschlesischen Bad Reinerz, heute Duszniki Zdrój. Piotr reist zu den Orten, von welchen einige Jahrzehnte früher Hans seine Fotos gemacht hat, um sie in ihrem aktuellen Zustand zu erleben.

Recherche im Buch beschrieben

Über seine jahrelange Rechereche schreibt der Informatiker und Schriftsteller Piotr Strzałkowski im 2013 erschienenen Buch “Das Album”. Ende 2018 lernt er bei der Buchmesse in Breslau/ Wrocław die Filmemacherin und Buchautorin Mieczysława Wazacz kennen. Sie ist beeindruckt von den Fotografien aus dem gefundenen deutschen Album und der Art und Weise, wie Piotr Strzałkowski nach ihrem Besitzer suchte. Auf der Grundlage des Buches und mehrerer Hundert zugeschickten Fotos dreht Mieczysława Wazacz 2020 einen stimmungsvollen Dokumentarfilm.

Text: Agnieszka Bormann, Silesia News.

Erfahren Sie mehr über die Idee und das erfolgreiche Projekt. Vollständiger Artikel und der Link zum Film hier.

„Wiesenstein“ im Jahr 1945

Es gibt Momente im Leben, in denen man zwangsweise mehr Zeit für das Lesen hat. Eines der Bücher, die auf meinem Schreibtisch schon länger gewartet haben, ist ein Roman von Hans Pleschinski unter dem Titel „Wiesenstein“. Ein Roman über die letzte Zeit Gerhart Hauptmanns in Schlesien , das er trotz Einmarschierens der Rotarmisten und der späteren Einsetzung der polnischen Verwaltung nicht verlassen hat.

Der Schriftsteller fängt seine Erzählung in der Nähe von Pirna an, wo das Ehepaar Hauptmann versucht hat, nach der überlebten Bombardierung Dresdens zurück zu Kräften zu kommen, um wieder nach Hause, also nach Agnetendorf bei Hirschberg zu fahren. Die Reise des alten und berühmten Nobelpreisträgers gen Osten mit einem der letzten Züge, die in diese Richtung fuhren, eine Gegenrichtung zu den Flüchtlingen, die immer weiter nach Westen wollten, ist die Beschreibung eines Zusammenstoßes zwischen der Realität und Gedanken des Dichters, der immer an eine Welt der Werte glaubte. Die endlich erreichte Villa Wiesenstein, die sich außerhalb der Stadt, weit von den Hauptwegen und schon über dem Tal befindet , ist für die nächsten Monaten eine Enklave für Hauptmann selbst und seine Angestellten geworden. Immer mehr von der Welt abgeschnitten, informierte er sich nur noch dank Radiosendungen aus Breslau und Berlin, solange dort noch deutsches Programm ausgestrahlt wurde.

Man erlebt alle Dissonanzen zwischen der staatlichen Propaganda und den Erzählungen der Oberschlesier, die als Flüchtlinge auch nach Agnetendorf kamen. Man merkt die kommende Niederlage und die Kosten, die sie mit sich bringt, auch wenn es anfangs noch unrealistisch erscheint: „Auf das Elsass und Oberschlesien konnte das Reich verzichten, ohne dass die Sahne auf dem Kuchen gefehlt hätte.“ Mit der Zeit überlegt auch Hauptmann immer öfter, was er gegen die Verbrechen der Nazi hätte tun können, ob er nicht zur still war, ob er nicht zur nah an den Nazi-Funktionären stand. Er vergleicht seine Stellung mit der von Thomas Mann, aber immer noch ist er sicher, dass er durch die Anwesenheit mit den Werken, Theaterstücken in der deutschen Kultur doch das menschliche im Reich unterstützt hatte.

Der Verlust von Schlesien ist für ihn unvorstellbar, weil für ihn dies keine geografische sondern eine kulturelle Einheit sei. Erst die Worte von Dr. Stanisław Lorenz - „An sich wollen wir hier keine lebenden oder toten Deutschen. Und schon gar keine berühmten. Wir sind in Polen“ - sind eine Wende. Er protestiert: „Wir sind in Schlesien. Meine Heimat. Was machen Sie mit den Einwohnern?“ Und die tragisch kurze Antwort: „Wir evakuieren sie. (…) Je schneller der Eingriff efolgt, desto besser.“ Ein spannender Roman, aber doch auch wahre Geschichte.

                                                                   

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