Dziennik Zachodni nennt Herbert Czaja einen Nazi. CDU: Er lebte für Versöhnung
- geschrieben von Łukasz Biły
- Publiziert in Regionen
Kuriose Situation in den polnischen Medien: Die größte Tageszeitung in Westpolen „Dziennik Zachodni” nennt den langjährigen Bundestagsabgeordneten Herbert Czaja einen Nazi. Ganz anders sieht ihn die deutschen Minderheit in Polen und für die regierende CDU war er ein „Mensch der für Versöhnung lebte“.
Die Angelegenheit betrifft eine Idee des DFK Schlesien. Demnach sollte an der Schule in Skotschau, in der sich ehemals Czajas Haus befand, eine Gedenktafel angebracht werden, die den Politiker ehrt: Für uns war Herbert Czaja ein Mensch der Versöhnung zwischen den Deutschen und deren östlichen Nachbarn. Außerdem war er ein beispielhafter Politiker – erklärt Vorsitzender des DFK Marcin Lippa.
Herbert Czaja (1997 verstorben) war ein in Teschen geborener Deutscher, Lehrer, Akademiker und vor allem Politiker und späterer BdV-Chef. Als Katholik war er vor dem Krieg Mitglied einer Partei, die der Christlichen Zentrumspartei nahestand, nach dem Krieg war er Mitglied der jetzt regierenden CDU.
Was prägte Czaja? Vor allem war es seine Haltung als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. In einer Rede zum 100. Jahrestag des Geburtstags von Czaja sagte Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg a. D. Christoph Palmer: Sein politisches Engagement prägte ein Einsatz für die Versöhnung und Verständigung zwischen den Völkern. Dazu setzte er sich allem wieder, was die Ideologie des Nationalsozialismus prägte. Wie Christoph Palmer zum Ausdruck brachte, hat er sich schon während seines Studiums für seine polnischen und jüdischen Kommilitonen eingesetzt. Nach dem Krieg wurde Czaja wie Millionen von Deutschen aus seinem Haus in Skotschau vertrieben. Während in seinem alten Haus eine Schule für behinderte eröffnet wurde, engagierte sich Czaja politisch in Deutschland. Von 1953 bis zum Jahr 1990 war er Mitglied des Bundestages der BRD. Natürlich kann nicht bestreitet werden, dass Czaja als Mensch, der stark mit seiner Erinnerung an ein deutsches Schlesien verbunden war, gegen die Anerkennung der Oder-Neiße Grenze stimmte und dadurch zum politischen Außenseiter wurde. Trotz dessen genieß er in den Reihen der deutschen Minderheit und in Deutschland allgemein ein Ansehen eines außerordentlichen Menschen und Politikers, der sich durch eine christliche Empathie gegenüber anderen Menschen und gegenüber ihrem Leid ausgezeichnet hat. Auf den Internetseiten der regierenden CDU finden wir dutzende von Einträgen, die ihn als Mann der Ehre und der Versöhnung bezeichnen: Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen hatte Czaja die Möglichkeit in die NSDAP einzutreten, er hat es abgelehnt, was seine kariere als Akademiker zu Fall brachte. Schon damals hatte er gezeigt, dass christliche Werte ihm mehr bedeuten, als eine persönliche Kariere – sagte über Czaja der Minderheitenbeauftrage der Bundesregierung Hartmut Koschyk in einem Laudatio. Die Bewunderung für Czaja war auch in der hohen Politik präsent. Der Innenminister a.D. und jetziger Finanzminister Wolfgang Schäuble, schrieb in seinen Erinnerungen an Czaja: Die Nationalsozialisten verweigerten ihm auch eine feste Anstellung als Lehrer wegen „fehlender nationaler Gesinnung“. Ein solches Gutachten sagt ohne Zweifel aus, wie weit Czaja von einer Befürwortung der Naziideologie entfernt war.
Ob ein solcher Mensch, der von Politikern auf Landes-und Bundesebene derart gelobt wird, ein Nazi sein kann? Wo doch das heutige Deutschland so sehr zu seiner nationalsozialistischen Vergangenheit steht? Woher so eine Bezeichnung des Dziennik Zachodni.
Wie es sich herausstellt beruft sich die Zeitung auf ein Gutachten der Kommission für Ermittlung der Verbrechen des Hitlerregimes in Polen aus dem Jahr…1973. Diesbezüglich ist es ein Gutachten aus der Zeit, wo das kommunistische Regime in Polen auf der Spitze seiner Macht stand. Kann ein solches Gutachten glaubhaft sein? Dies ist zu bezweifeln, denn wie bekannt ist, waren unbegründete Beschuldigungen von Deutschen die Regel im kommunistischen Polen. So war es auch im Falle der demokratisch denkendem Polen wie zum Beispiel des Pfarrers Jerzy Popiełuszko, der durch die polnischen Sicherheitsbehörde ermordet wurde. Ein weiterer Kritiker von Czaja ist Prof. Bogdan Musiał, der Czaja vorwürft, er habe die Universität Krakau liquidiert. Die Frage ist, ob Czaja, der ja in dieser Zeit nur Assistent war, überhaupt die Mittel dazu hatte, um über das Schicksal der Universität zu entschieden?
Die Angelegenheit rund um die Ehrentafel selbst ist ins Stocken geraten. Da nach der Vertreibung des vorherigen Inhabers des Hauses das Marschallamt (Landtag) der Woiwodschaft Schlesien die Immobilie übernommen hat, ist es die Institution, die bei einer Ehrentafel das letzte Wort hat: Das Projekt hat von allen Seiten positive Entscheidungen bekommen, dem Denkmalschutz und auch der Schulleiterin, leider hat der Vorstand der Woiwodschaft Schlesien den Antrag abgelehnt – erklärt Marcin Lippa.
Wie erklärt der Vorstand die Absage? Inoffiziell wissen wir, dass er sich…auf das gleiche Dokument aus 1973 wie die Zeitung Dziennik Zachodni beruft. Der größte Gegner der Idee soll der Vizewoiwode Piotr Spyra gewesen sein, der für antideutsche Aussagen bekannt ist.
In der gesamten Diskussion wundert die Haltung des Dziennik Zachodni am meisten. Wieso sprach man nicht mit dem Antragssteller – dem DFK Schlesien? Wieso hat man nicht die Meinungen der deutschen Politik niedergeschrieben wo Czaja sein Leben lang wirkte? Diese Fragen bleiben im Moment ohne Antwort. Ohne Zweifel ist jedoch jemanden einen Nazi zu nennen eine schwerwiegende Beschuldigung, die man nicht ohne weiteres tätigen sollte. War es dieses Mal fahrlässig? Diese Frage müssen sich die Leser selber beantworten. Ein Verstorbener ist jedenfalls immer leichtes Ziel für solche Fahrlässigkeit, weil er sich nicht mehr verteidigen und selber sagen wie es war kann.
Fot. Bdv-bayern.de