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Kolumne 29.04.2016 - Historia magistra Vitae Est?

Am dritten Mai wird der 225. Jahrestag der ersten demokratischen Verfassung Polens gefeiert, die höchstwahrscheinlich hochtrabend gefeiert wird. Dies ist zu befürworten, aber ich denke auch, dass diese Feierlichkeit ohne eine tiefere Reflexion ausklingen wird. Es lohnt sich zu wissen, dass die Verfassung zwar früher als die französische Deklaration der Menschenreiche verabschiedet wurde, doch im Geiste war sie jedoch weit von der französischen entfernt. In der polnischen fand sich nichts über die Bauernbefreiung wieder und eine relative Demokratie wurde eingegrenzt zu Kreisen des Adels und der Bewohner der Städte. Wenn man über diesen Jahrestag spricht, sollte man auch über die heute so übermäßig benutzte Beschuldigung bezüglich des Bündnisses von Tragowice sprechen. In Anspielung auf dieses Bündnis, dass gegen die erste polnische Verfassung gerichtet war, kritisieren die heutige Regierung sowie einige Bischöfe ihre politische Opposition, die sich auf europäische Meinungen beruft. Damals im 18. Jahrhundert befürworteten das Bündnis gegen die Verfassung fast alle Kirchenoberhäupte Polens, die das Land vor bösen Reformen, die von der heute so gelobten, fortschrittlichen Verfassung, ausgingen, schützen wollten. Die Lehre, die davon ausgeht, sagt uns, dass es sich lohnt die Geschichte zu kennen, damit sie magistra Vitae (die Lehrerin des Lebens) sein kann. Ebenfalls am 3. Mai werden mich wohl ähnliche Reflexionen begleiten, weil es auch der 95. Jahrestag des 3. Schlesischen Aufstandes ist. Dieser Aufstand wird in der deutschen Auffassung der Geschichte oft als polnischer Aufstand in Schlesien beziehet. Vor fünf Jahren hat der damalige Präsident Polens Komorowski auf dem St. Annaberg einen ersten Durchbruch in dem falschen Vorurteil, dass alle Schlesier zu Polen strebten, geleistet. In seiner Rede hat er zum Ausdruck gebracht, dass die damaligen Kämpfe eigentlich ein Bruderkrieg waren: „Wir sollten auch an das denken, dass gegenüber den Aufständischen auch andere Schlesier standen, nämlich die, die sich als Deutsche gefühlt haben und wollten, dass Schlesien ein Teil des deutschen Staates bliebt. Vergessen wir nicht, dass das Drama dieser Zeit nicht nur schlesische Dörfer und Städte geteilt hat, aber auch die Wohnhäuser und oft auch die Familien“. Die breite Diskussion rund um den 1050. Jahrestag der Taufe Polens hat die Fehler gezeigt, die eine Geschichte beinhaltet, die für die nationalen Bedürfnisse geschrieben wird. Diese Gesichte, die an einen engen Kreis von Wissenschaftler gerichtet ist, versucht zum Beispiel zu verbergen, dass Mieszko I., der erste polnische Fürst, höchstwahrscheinlich in Magdeburg oder Regensburg getauft worden ist und dass der deutsche Kaiser der Schirmherr dieses Ereignisses war. Deswegen wird auch bezüglich der schlesischen Aufstände heute eine breite Aufklärung gebraucht, nicht nur darüber, dass es ein Bruderkrieg war, sondern auch über ein bedeutendes und illegales Engagement der polnischen Armee im Rahmen der Auslösung und des Verlaufs des Aufstandes. Man darf heute nicht nur über die Teilnahme der deutschen Soldaten sprechen, ohne die Teilnahme der polnischen Armee zu erwähnen, in deren Rahmen sich ein Einsatz von Hunderten von Tausenden Soldaten, Offizieren und große Mengen an Waffenlieferungen wiederfanden. Das 21. Jahrhundert bedarf mutiger Historiker, die zum gemeinsamen Wohle das Wissen über die Vergangenheit von der Ideologie befreien. Nur eine solche Geschichte kann die Kraft haben, zu verbinden.

Letzte Änderung am Mittwoch, 08 Februar 2017 20:44