Kreieren einer Realität?
- geschrieben von Bernard Gaida
- Publiziert in Blogs
Vor mir liegt der Bericht der Obersten Kontrollkammer Polens (NIK) über den Schutz des materiellen Erbes der nationalen Minderheiten. Ich gebe zu, dass ich ihn noch nicht gründlich studiert habe. Aber ich wurde vor allem auf einen Satz in der Zusammenfassung aufmerksam, dass die Kammer beurteilt, entsprechende Behörden „haben effektiv gehandelt und zum Schutz des kulturellen Erbes der nationalen Minderheiten beigetragen“. Als Entschuldigung kann ich sagen, dass die NIK die Jahre 2016-2019 kontrolliert hat.
Wenn man aber diesen Satz als Beschreibung der Realität nimmt, trägt er Züge des Kreierens einer Parallelwelt. Denn gleichzeitig liegt auf meinem Schreibtisch ein sorgfältig herausgegebenes Werk Hannibal Smokes „Das unsichtbare Niederschlesien. Paläste, die Du nicht mehr sehen kannst“ („Niewidzialny Dolny Śląsk. Pałace, których już nie zobaczysz”). Es ist eigentlich ein Epitaph für 447 Paläste, die zum deutschen Kulturerbe in Schlesien gehören. Die letzten Sätze des Buches lauten: „Man kann schlecht vor der Feststellung flüchten, dass nicht der Krieg und nicht die Rote Armee so verheerend für die niederschlesischen Residenzen gewesen sind, wie unsere Nachkriegsrealität. (…) Die überwältigende Mehrheit von ihnen haben wir dem Erdboden gleich gemacht. Man muss natürlich daran denken, dass nicht wir den größten Krieg begonnen haben (…). Dies ist aber eine unzureichende Erklärung und im 21. Jahrhundert keineswegs ein mildernder Umstand. Vor allem, weil man einen radikalen Wandel nicht sieht. Das wunderbare materielle Erbe Niederschlesiens verschwindet zusehends.“
Mein ganzes Leben lang konnte ich den polnischen Umgang mit Denkmälern in Schlesien, Pommern und Ostpreußen nicht verstehen. Bis 1989 konnte man dafür noch die Politik des totalitären Staates verantwortlich machen, doch wir wissen, dass wohl mehr Baudenkmäler nach diesem Jahr verfallen sind aufgrund von Misswirtschaft, irrationellen Ausverkaufs und räuberischer Politik der neureichen Eigentümer. Fehlende Regulierungen in Bezug auf das Erbe in deutsch-polnischen bilateralen Verhältnissen führten zum „Todesurteil“ für die meisten von ihnen. Der Bericht der NIK versichert, dass nach dem polnischen Gesetz die Baudenkmäler „geschützt werden, unabhängig von ihrer historischen Herkunft“. Jedoch wird hinzugefügt, dass über ihren Schutz „vor allem der künstlerische, historische und wissenschaftliche Wert“ entscheidet sowie „ihre Bedeutung für die lokalen Gemeinschaften“. Wie eine Entschuldigung klingt dabei die Feststellung im Bericht, dass nach 1945 ein „Nationalitätswechsel“ der Baudenkmäler in Nord- und Westpolen stattgefunden hat. Vielleicht besiegelte ihr Schicksal aber, dass die Baudenkmäler ihre Nationalität nicht gewechselt haben und ihr Deutschtum deutlich hervortrat. Die Schäden, die aufgrund der Entscheidung zum fast gesamten Bevölkerungsaustausch in den Gebieten entstanden sind, hatten auch Einfluss auf das Schicksal der Baudenkmäler.
Doch die Verantwortung für sie kann man im heutigen Polen nicht mit den Worten des Berichtes abtun, dass das Problem des Denkmalschutzes, das nicht mit der Geschichte der lokalen Gemeinschaft verbunden ist, aktuell nicht nur in Polen existiere, sondern in allen Ländern, die von territorialen sowie Bevölkerungsänderungen nach dem Jalta-Abkommen betroffen sind. Deshalb kann es noch lange kein Einverständnis für eine positive Bewertung der Maßnahmen der Regierung und der Kommunen im Bezug auf den Denkmalschutz in den ehemaligen deutschen Gebieten geben.
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- raport Najwyższej Izby Kontroli na temat „Ochrony materialnego dziedzictwa kulturowego mniejszości narodowych”
- der Bericht der Obersten Kontrollkammer Polens (NIK) über den Schutz des materiellen Erbes der nationalen Minderheiten
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- Hannibal Smokes „Das unsichtbare Niederschlesien Paläste, die Du nicht mehr sehen kannst“
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