Probleme mit Toleranz
- geschrieben von Bernard Gaida
- Publiziert in Blogs
Wenn jemand meinte, die Pandemie könnte den Raum für Toleranz erweitern, dann hat er sich geirrt. Rassistische Unruhen in den USA, das Stürzen von Denkmälern in Großbritannien und letztens auch in Deutschland, weltanschauliche Konflikte in Sachen LGBT in Polen. Man könnte noch vieles mehr aufzählen.
In all den Konflikten sieht man, dass der Dialog durch ein Diktat ersetzt wird, und zwar eines von beiden Seiten. Dabei sollte doch Dialog bedeuten, dass beide Seiten letztendlich versuchen, sich zu verständigen. Die Atmosphäre des Diktats beider Seiten des Streits wird auf die Straßen verlegt - und das nicht nur in Form von Unruhen und Plünderungen von Geschäften in den USA, sondern auch als allgemeine Stimmungslage auf den Straßen europäischer Städte. In Polen wird das noch untermalt durch die Wahlfolklore. Ich nenne es Folklore vor allem deshalb, denn bei weltanschaulichen Streitigkeiten berufen sich alle auf Emotionen und nicht inhaltliche Argumente.
Paradoxerweise ist es gut, dass der Kampf gegen die Pandemie dazu zwingt, sich mit konkreten Lösungen und ihren Konsequenzen auseinanderzusetzen. Es hilft nicht, sie auf emotionale Weise zu zerreden, denn wir sprechen hier von Zahlen. Vielleicht sind sie nicht ganz exakt, denn es werden hierzulande immer noch zu wenige Tests durchgeführt, aber sie ermöglichen einen Vergleich. Und bewusste Wahlen verlangen von Wählern eben einen Vergleich, der der Gesellschaft, die so politisiert, gleichzeitig aber politisch so ungebildet ist, Schwierigkeiten bereitet.
Alle diskutieren leidenschaftlich über Politik, aber doch nur wenige engagieren sich ernsthaft in ihr, sodass sowohl die Wahrnehmung der Parteiprogramme als auch deren Evaluierung nur scheinbar geschieht. Um diesen Prozess zu erleichtern, haben wir bereits zu Beginn des Wahlkampfes einen Fragenkatalog an die Kandidaten zum Thema Minderheitenpolitik erstellt. Ich wäre glücklich, wenn ich schreiben könnte, dass zumindest die Mehrheit der Kandidaten dazu Stellung bezogen hat. Leider kann ich das nicht. Nicht ganze zwei Wochen vor der Wahl bleibt Szymon Hołownia der einzige, der auf unsere Fragen geantwortet hat. Dabei könnte man denken, dass die im Titel genannte Toleranz nirgendwo leichter erfahrbar wäre als im Bezug auf die Minderheiten. Es ist nur für diejenigen nicht leicht, für die die Toleranz ein schöner Wahlslogan ist, jedoch Probleme bereitet, wenn Fragen nach Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache, nach zweisprachigen Schildern oder der Unterstützung für die deutsche Kultur und deren kulturellem Erbe auftauchen. Wir warten weiterhin.
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