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Solidarność-Beschluss noch nicht realisiert

Solidarność-Beschluss noch nicht realisiert Foto: pixabay.com

Diese Kolumne schreibe ich am Tag, an dem in Polen alle an die Gründung der Solidarność vor 40 Jahren erinnern. Für mich persönlich war es eine intensiv durchlebte Zeit. Deshalb erinnere ich mich noch an meine Gefühle, die vom eingeführten Kriegsrecht nicht verändert wurden.

Wir haben die Solidarność von Anfang an nicht als Gewerkschaft angesehen, sondern als eine Bewegung von so immenser Kraft, dass das System ihr nicht widerstehen konnte. Vor allem, weil sie ihre Postulate von Anfang an nicht nur auf die Arbeiterrechte fokussierte, sondern sie vielmehr als Element eines demokratischen Staates ansah. Darin resultiert der Schutz der Arbeiter aus dem Schutz der generellen Menschenrechte. Schon bei der ersten Versammlung in der Halle Olivia wurde im Programmbeschluss geschrieben: „Die Geschichte lehrt uns, es gibt kein Brot ohne Freiheit. Es ging uns auch um Gerechtigkeit, Demokratie, Wahrheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde, Meinungsfreiheit, (…).“ Und weiter: „Unsere Gewerkschaft entstand aus dem Protest der polnischen Gesellschaft, die über 30 Jahre Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen erfahren hatte“.

Logische Folge einer solchen Sichtweise war der Beschluss über nationale Minderheiten, in dem geschrieben wurde: „Indem wir die Entwicklung der polnischen Kultur pflegen, die offen für das Werk anderer Völker ist, wollen wir nicht minder dazu beitragen, dass in Polen lebende Bürger anderer Völker und ethnischer Gruppen (…) im gemeinsamen Vaterland mit den Polen Möglichkeiten finden, ihre Kultur frei zu entwickeln und sie den nächsten Generationen zu übermitteln.” Aus historischer Perspektive muss man festhalten, dass es für die im Beschluss genannten Deutschen, anders als für andere bereits anerkannte Minderheiten, in der Volksrepublik eine erste öffentliche Bestätigung ihrer Existenz gewesen war. Und das zu einer Zeit, in der sowohl der Staat als auch die Kirche dem widersprachen.

Aus der heutigen Perspektive muss man jedoch fragen, ob der demokratische Staat, das Werk der Solidarność, „nicht minder dazu beiträgt“, dass sich die Kultur der Minderheiten so entwickeln kann wie die polnische. Können wir unsere Kultur frei entfalten und sie den nächsten Generationen übermitteln? Leider bleibt dieser Beschluss nur ein teilweise realisiertes Postulat der Solidarność. Haben wir als Mitglieder einer nationalen Minderheit die Freiheit, unsere Kultur zu entfalten und weiterzugeben? Ich antworte mit Ja. Hat der Staat zu ihrer Entwicklung in einem nicht minderen Maße als bei der polnischen Kultur beigetragen? Entschieden antworte ich mit Nein. Die Bedingungen fehlen, vor allem im Bereich Bildung, meint jeder Bericht zur Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen durch Polen. Die Berichte werden weiterhin kritisch bleiben, solange in Polen keine Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache entstehen und in den Medien nicht mehr Sendungen in den Minderheitensprachen angeboten werden... Der Beschluss von vor 40 Jahren wartet also noch auf seine Realisierung.

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