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Neuanfang in Dresden

Foto: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen Foto: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen

Am Samstag feierten wir den Tag der Deutschen Einheit, den ich in Dresden verlebt habe. Es ist eine Stadt, mit der meine Familie sowie Tausende anderer schlesischer Familien tragisch verbunden sind. Vor 75 Jahren kamen unsere Vorfahren, oft auf der Flucht vor der Roten Armee, genau am 15. Februar dort an. Vor allem Frauen, Kinder und Alte, die auf den Bahnhöfen, in Schulen und auf den Straßen gedrängt standen sowie die Einwohner der Stadt wurden zum Ziel der Bombardierungen durch die westlichen Alliierten. Zehntausende haben es nicht überlebt. Meine Familie entkam zum Glück diesem Schicksal. Deshalb war das Erleben des Festtages der Deutschen Einheit da, wo dieses Verbrechen geschehen ist, ein besonderes Gefühl der Beobachtung, wie Deutschland nach dem Fall des Naziregimes, nach den Jahren eines folgenden, anders brutalen sozialistischen Systems und der Teilung des Landes dies überwunden und als völlig anderer Staat weiterfunktioniert.

Es überkam mich eine Art Stolz, als ich auf dem Bahnhof stand, an dem vor 75 Jahren der Zug eingefahren ist, in dem auch meine Oma, Mutter mit acht Kindern, saß. Er kam aus Zawadzki, einer damals deutschen, heute polnischen, aber immer schlesischen Stadt. Irgendwie im Unterbewusstsein habe ich dieses Bild auch mit dem Datum 8. Oktober 1989 und der Liste der damaligen Demonstrationsführer in Dresden („Gruppe der 20“) mit René Bachmann an der Spitze verbunden. Es ist der Tag der Befreiung Dresdens von dem weiteren Totalitarismus, eine Rückkehr zur Demokratie, der ersten seit dem Jahr 1933.

Am vergangenen Samstag beschlossen Vertreter der deutschen Minderheiten, die in der AGDM zusammengefasst sind sowie Delegierte der Landsmannschaften und der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, eine bessere Kooperation aufzubauen, denn sie sind zu der Ansicht gelangt, zwei Seiten einer Medaille zu sein. Die unterschiedlichen Ziele sowie die eigene Autonomie des Handelns beibehaltend wollen sie nun gemeinsam den kulturellen Reichtum ihrer Heimaten retten. Ich hatte mehrmals die Möglichkeit, an den Tag der Deutschen Einheit anzuknüpfen, den die Deutschen östlich der Oder, auf dem Balkan oder entlang der Donau nicht als Jahrestag der Vereinigung zweier Deutscher Staaten ansehen, sondern als Deklaration zur Einheit der Deutschen, die heute in Deutschland sowie außerhalb seiner Grenzen leben.

Als wir das Programm der Konferenz erarbeitet haben, legten wir einen besonderen Akzent auf wissenschaftliche Forschung und Zusammenarbeit sowie Jugendarbeit. Die Anwesenheit junger Menschen und ihre inspirierenden Gedanken für die Zukunft - unter Beibehaltung der Treue zu den Traditionen der Großeltern - war wohl die wichtigste Erfahrung dieses Treffens. Und Dresden im Mondschein verzauberte.