Stagnation durchbrechen?
- geschrieben von Bernard Gaida
- Publiziert in Blogs
Ich hoffe, wenn ich heute an das nahende 15. Jubiläum des polnischen „Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten sowie die Regionalsprache“ und gleichzeitig an die Bürgerinitiative MSPI erinnere, richte ich die Aufmerksamkeit auf das ständige Problem der Realisierung der Rechte nationaler Minderheiten sowohl in Polen als auch in anderen Ländern. Ich möchte deshalb an die offensichtlich herrschende Stagnation in diesem Bereich erinnern. Wir sehen, dass das Problem der Gleichberechtigung von Menschen mit anderen Ansichten, Präferenzen und Bedürfnissen große Emotionen auslöst. Im Bereich der Rechte der nationalen Minderheit dagegen geschieht gleichzeitig nur wenig.
Der Europarat hat vor Jahren einen enormen Schritt nach vorn getan, als er zwei wichtige Konventionen – über den Schutz der nationalen Minderheiten sowie über Regional- und Minderheitensprachen – verfasst und in den juristischen Umlauf gebracht hat. Da er aber nur mit Kontrollbefugnissen ausgestattet ist, stand der Rat vor einer beschränkten Wirkungskraft. Jede nationale Minderheit beschreibt ihre Situation individuell, aber die meisten von ihnen sehen bei aller Wertschätzung für die Tatsache, dass solche Dokumente, die die Normen der erwarteten Minderheitenpolitik aufstellen, entstanden sind, die geringe Wirkung - vor allem, wenn der politische Wille zur Verbesserung der Situation in den einzelnen Staaten fehlt. So sieht es auch mit dem polnischen Gesetz aus, dessen Jubiläum demnächst gefeiert wird.
Es war das Ergebnis jahrelanger Mühen und nicht leichten Abbaus von Stereotypen und Ängsten unter den Abgeordneten. Seit langem existiert das Gesetz bis heute in unveränderter Form. Zu seiner Modifizierung führte nicht einmal, dass einige Jahre nach seiner Einführung Polen die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifizierte. Einige Zeit später legte der polnische Staatspräsident sein Veto gegen eine diesbezügliche Gesetzesnovelle ein. Dabei sehen wir in Polen, aber nicht nur hier, gravierende Unterschiede zwischen der wirklichen Realisierung der Rechte der nationalen Minderheiten und deren deklariertem Stand. Es wächst z.B. eine weitere Generation von Kindern in deutschen Familien in Schlesien auf, die keine Schule mit Deutsch als Unterrichtssprache besuchen können, denn trotz einer Verpflichtung zur Gründung solcher Einrichtungen im 2009 ratifizierten Dokument, sind solche Schulen nicht entstanden.
Aus dieser Perspektive betrachtet scheint die öffentliche Anhörung in der EU über die Verlagerung der Minderheitenpolitik auf die Ebene der europäischen Gesetzesgebung (so wie es die MSPI fordert) ein Schritt zu sein, der den Minderheiten (zumindest innerhalb der EU) die Chance bietet, das realisiert zu sehen, was bislang nur deklariert wurde. Ist es ein Herbst der Wende?
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