Die Sprache der Minderheit ist zugleich eine Fremdsprache
- geschrieben von Ryszard Karolkiewicz
- Publiziert in Bildung
"Es ist möglich, dass ein Schüler, der eine Fremdsprache (obligatorisch) lernt, gleichzeitig zur Pflege seiner nationalen Identität dieselbe Sprache (auf Antrag) als Minderheitenspreche lernt."
Joanna M. Karolczak, Opinia prawna dotycząca nauczania drugiego języka nowożytnego i języka mniejszości narodowej (BAS-WAP-090/18), Biuro Analiz Sejmowych 2018. [Tumaczenie cytatu: VdG]
Das Zitat stammt aus einem Gutachten des Büros für Sejm-Analysen, das im Auftrag des Sejm-Abgeordneten Ryszard Galla angefertigt wurde. Das Gutachten betrifft den Deutschunterricht in Grundschulen, der sowohl als Fremdsprachenunterricht als auch als Unterricht für die nationale Minderheit angeboten werden kann.
Der Auftrag, das Gutachten vorzubereiten, folgte einer Interpretation des Bildungsministeriums vom März dieses Jahres, in der festgestellt worden war, dass ein Schüler der deutschen Minderheit, der in der Schule seine Muttersprache Deutsch lernt, ab der 7. Klasse der Grundschule im Fremdsprachenunterricht kein Deutsch wählen darf. Diesem Schüler müsste laut Bildungsministerium eine andere Fremdsprache angeboten werden.
Zur Erinnerung: Ab der 7. Klasse der Grundschule werden zwei Fremdsprachen unterrichtet. In den meisten Schulen ist die este Fremdsprache Englisch, das bereits ab der 1. Klasse unterrichtet wird. Ab der 7. Klasse kommt eine zweite Fremdsprache hinzu und vielerorts war es bisher eben Deutsch. Die Wahl der zweiten Fremdsprache ergab sich vor allem in den Woiwodschaften Oppeln und Schlesien sehr oft aus der Verfügbarkeit der Deutschlehrer oder aus den Bedürfnissen der lokalen Gemeinschaft und sollte plötzlich enden, als das Bildungsministerium in einem Schreiben an den schlesischen Vizekurator erklärte, dass dies rechtswidrig sei.
Diese neue Interpretation des Bildungsministeriums verbreitete sich in Schulen und unter Schulträgern in den Woiwodschaften Oppeln und Schlesien, was zur Folge hatte, dass die Planung des kommenden Schuljahres vollkommen aus dem Gleichgewicht geriet. Die Schulleiter überlegten, welche andere Fremdsprache sie den Kindern der deutschen Minderheit anbieten sollen und woher sie dafür einen Fremdsprachenlehrer beziehen können. Es kam auch vor, dass die Eltern der 6-Klässler dazu überredet wurden, das Kind vom Unterricht Deutsch als Minderheitensprache abzumelden, so dass es ab der 7. Klasse den Unterricht Deutsch als Fremdsprache besuchen kann. In den Schulen, wo der Schulleiter den Gliederungsplan nach den "alten" Regelungen vorbereitet hatte, hat das zuständige Kuratorium die Pläne negativ beurteilt und Anweisungen formuliert, diese nach der neuen Interpretation zu ändern. Allerding betraf das nur die Woiwodschaften Oppeln und Schlesien, denn im Norden und Westen des Landes, wo auch Deutsch als Minderheitensprache unterrichtet wird, hörte von der neuen Interpretation kaum jemand.
Obwohl die Vertreter der deutschen Minderheit direkt beim Bildungsministerium das Anliegen vorgebracht haben, nahm das Ministerium bis heute keine Stellung dazu, was die Interpretation angeht und wie die Schulen vorzugehen haben. So waren die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden gezwungen, selber zu entscheiden, ob sie die gesetzlichen Regelungen verfolgen oder ob sie die Interpretation des Bildungsministeriums beachten.
Wie die Gutachter des Büros für Sejm-Analysen feststellen, ist das Bildungsministerium nicht berechtigt, bindende gesetzliche Regelungen zu formulieren, und die Interpretation des Bildungsministeriums steht im Widerspruch mit geltenden Vorschriften, die sowohl den Fremdsprachenunterricht als auch den Unterricht für die nationale Minderheit regeln. Beide Schulfächer basieren nämlich auf verschiedenen Verordnungen und werden in Anlehnung an unterschiedliche Lehrpläne organisiert. Ein Schüler der deutschen Minderheit kann sowohl Deutsch als Fremdsprache als auch Deutsch als Minderheitensprache besuchen. Keine gesetzliche Regelung verbietet dies einem Schüler der deutschen Volksgruppe in Polen.
Auf unserer Webseite publizieren wir den Originaltext des Gutachtens.
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