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Bernard Gaida

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Gedanken über die Gnade

Allerheiligen beruhigte ein wenig die Spannung, die die Zeit vor diesem Fest begleitet hat. Dabei wurde allein in der letzten Woche im Sejm ein Antrag gestellt, Ryszard Galla, den einzigen Abgeordneten einer Minderheit, aus dem Präsidium des Minderheitenausschusses des Parlaments abzuwählen. Zudem beantragte ein anderer Oppelner Abgeordneter, Janusz Kowalski, den Kommunen die Subvention für den Deutschunterricht als Minderheitensprache wegzunehmen. Achtung: Nur für den Deutschunterricht - nicht für kaschubisch, belarussisch, litauisch oder ukrainisch. Das Internet wurde zur selben Zeit mit Danksagungen und Prahlerei überschwemmt, nachdem die Ergebnisse der finanziellen Aufteilung für Projekte im Rahmen der „Polnischen Ordnung“ (Polski Ład) bekanntgegeben wurden. Es sah aus, als wäre dieses Finanzierungsprojekt für die Oppelner Woiwodschaft ein besonderer Erfolg. Doch eine ruhige Analyse der Daten, vor allem aber die Aufteilung der Mittel, umgerechnet auf die Einwohner der Gemeinden und Woiwodschaften, zeigen eine empörende Tatsache. Die zwei Woiwodschaften mit der niedrigsten Finanzierung pro Kopf sind Oppeln und Schlesien. Ein Zufall? Wohl kaum.

Aber auch das erscheint vor dem Antlitz der Ewigkeit wenig wichtig. Die Friedhöfe wurden am Montag von Tausenden Lichtern erleuchtet, Menschen trafen sich an den Gräbern und fast alle erlagen der Atmosphäre Vergänglichkeit und Ewigkeit zugleich. Verlassene Gräber und insbesondere Kreuze an zentralen Punkten der Friedhöfe umgaben Lichter, die an anderen Tagen des Jahres dort nicht aufgestellt werden. Denn es gibt in Schlesien keine Familie, die nicht Familienmitglieder hat, die an unterschiedlichen Orten der Welt verschollen oder gefallen sind. Es ist ein schöner Brauch, an sie zu denken, auch wenn die heutige Generation deren Namen vielleicht nicht mehr kennt. Wir denken an diesem Tag an die Tafeln voller Namen von Gefallenen beider Weltkriege und in diesem Jahr besonders an die Opfer der Tragödie des Jahres 1921, also des aus dem Ausland provozierten Bruderkrieges der Oberschlesier.

Wir verwechseln ein wenig Allerheiligen mit Allerseelen, doch wir glauben daran, dass unsere Verwandten das ewige Leben errungen haben. Dass sie heilig sind. Dieser Glaube erinnert mich an das Gespräch mit dem evangelischen Bischof Marian Niemiec im Rahmen des Schlesienseminares, in dem er die Entwicklung der Ökumene lobte. Doch er war enttäuscht, dass die katholische Kirche so wenig über die mit den evangelischen Christen vereinbarte Rechtfertigungslehre spricht. Denn sie erlaubt daran zu glauben, dass wir wirklich alle erlöst werden können, nicht durch unsere Verdienste, sondern durch die Gnade. Diesen Glauben bekennen wir über den Gräbern unserer Verwandten.

Bernard Gaida

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Kongress in Allenstein

Mit viel Interesse und Freude nahm ich am Kongress in Allenstein teil, der von der Landsmannschaft Ostpreußen organisiert wurde. Einerseits, weil er aktive Mitglieder der deutschen Minderheit aus Ermland und Masuren zusammenbringt. Andererseits, weil traditionell Kommunalpolitiker unterschiedlicher Ebenen daran teilnehmen. Zusammen neigen sie sich über die Themen des gemeinsamen Kulturerbes, der Minderheitenrechte und deren Realisierung oder auch der aktuellen Lage der einzelnen Gruppen der deutschen Minderheit.

Ich wurde gebeten, über die europäische Bürgerinitiative Minority SafePack zu sprechen, die nach Jahren des Engagements unterschiedlicher Minderheiten in vielen Ländern Europas im Januar von der Europäischen Kommission abgelehnt wurde. Das brachte mich dazu, über die Schattenseiten der Demokratie in der EU zu sprechen, die es erlaubt, dass eine kleine Gruppe von Kommissaren den Willen von über einer Million EU-Bürger, ausgedrückt durch eine individuelle Unterstützung des Projekts, fällen kann.

Es ist schwer, diese Worte an dem Tag zu schreiben, an dem im EU-Parlament eine Debatte stattfindet über juristische Schritte Polens, die den Lissaboner Vertrag in Frage zu stellen, denn gleichzeitig entlarve auch ich die Schwächen von EU-Prozeduren. Doch andererseits konnte ich in Allenstein betonen, dass die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) in unserem Namen eine Klage beim Europäischen Gericht gegen die Entscheidung der Kommissare eingereicht hat und damit den in den Verträgen vorgesehenen juristischen Weg eingeschlagen hat. Denn so sieht Rechtsstaatlichkeit aus. Es ist aber auch so, dass die Idee der Initiative, der Europäischen Kommission einen Teil der Kompetenzen im Bereich der Minderheitenpolitik zu übertragen, keinen politischen, sondern praktischen Charakter hat.

Es geht nämlich darum, dass wir einen Weg suchen, die Regeln aus der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten oder der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen besser mit Leben zu füllen. Beides sind Dokumente des Europarates und wenn es bislang nicht gelingt, deren Inhalt in das europäische Rechtssystem einzuführen, dann muss man den Europarat selbst mehr motivieren, damit seine Arbeit über das passive Monitoring hinausgeht und zu einer aktiven Bemühung um die Realisierung der Dokumente wird. Das werde ich im Rahmen des Dialog Forums tun.

Ich bin aber auch von den anderen Referaten beeindruckt, vor allem von den Schlüssen Dr. Mariusz Baranowskis aus der sozialwissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Minderheit in der Oppelner Region. Diese scheinen zu untermauern, dass es wert wäre, ähnliche Analysen in anderen Regionen vorzunehmen, um zu erfahren, welche Rolle für die Deutschen unsere regionale Identität und Sprache spielen. Dieses Wissen nutzt uns gewiss dabei, die Ergebnisse der Volkszählung 2021 auszuwerten. Die Diskussionen haben bewiesen, dass es nicht langweilig ist, wenn man unterschiedliche Aspekte des Deutschseins in Polen diskutiert.

Bernard Gaida

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Wir bleiben!

Sich an den Donnerstag, den 7. Oktober 2021, zu erinnern, wird aus mehreren Gründen einfach. Er fiel auf den Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 30jährigen Jubiläum des VdG und des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zwischen einem Treffen von mehreren hundert unserer Mitglieder im Norden Polens in Köslin und einer Begegnung von weiteren hunderten Menschen aus ganz Schlesien in Kattowitz. Beide Treffen waren voller Freude über die Errungenschaften der deutschen Gemeinschaft in Polen in den letzten 30 Jahren, also des Weges vom organisatorischen Nichtsein bis heute. Sie feierten aber auch den Weg von der Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen bis zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der Schengen-Zone.

Zwischen diesen beiden Treffen knirschte der Donnerstag aber mit falschen Tönen. Das Verfassungsgericht hat entschieden, das in Polen EU-Recht nur dort respektiert wird, wo es nicht im Widerspruch zur Verfassung steht. Ich lasse einmal die Tatsache beiseite, dass juristische Experten meinen, der Fall, der das Gericht zu dieser Entscheidung brachte, also das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, die verfassungsmäßige Organisation und Unabhängigkeit der Gerichte vor unberechtigten Änderungen durch ein einfaches Gesetz schützte. Wichtiger ist die Infragestellung des in der EU geltenden Prinzips, die Urteile des obersten Gerichtes der Union anzuerkennen. Das stellt wiederum den Lissabonner Vertrag in Frage und das bedeutet praktisch, sich aus der Gemeinschaft der Staaten herauszunehmen, die durch den Vertrag verbunden sind. Schließlich kann das zu einem formellen Austritt aus der EU führen.

Die Deutschen in Polen, aber auch die anderen nationalen Minderheiten, waren Enthusiasten der EU, denn sie haben die Erfahrung des Lebens in der Volksrepublik, also eines autoritären Staates mit nationalistischen Tendenzen, hinter sich. In den Strukturen der EU sehen wir für uns Sicherheit, vor allem dank des Rechtsstaatlichkeitsprinzips auf europäischer Ebene, das von vornherein eine nationalistische Perspektive ablehnt. Das durfte ich in meiner Kattowitzer Ansprache nicht unangesprochen lassen und daher sagte ich eindeutig: „Wir standen und stehen fest zur Mitgliedschaft Polens mit unseren Heimaten in der Europäischen Union. Wir appellieren an uns alle, vor allem aber an die Regierung und die Parteien, unsere Mitgliedschaft in der großen europäischen Gemeinschaft nicht in Frage zu stellen.“

Mit Freude habe ich am Tag darauf die Demonstrationen der EU-Befürworter in vielen Städten beobachtet, doch leider glaube ich nicht an das Strohfeier der Opposition und der happeningliebenden Mitbürger und deren Haltung bei den Wahlen, Abwesenheit von ihnen und eine generelle politische Unbeholfenheit schließlich entscheidet. Mögen zumindest die Deutschen in Polen, die beim Referendum mehrheitlich für einen Beitritt gestimmt haben, bis zum Schluss rational bleiben. Dann wird sich mein letzter Satz in Kattowitz bewahrheiten: „Wir, Deutsche aus Schlesien, Pommern, Ermland und Masuren, bleiben in Europa!"

Bernard Gaida

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Vertrag mit Eichendorff im Hintergrund

Die Wahl hat stattgefunden. Das Volk hat gesprochen und auch wenn Olaf Scholz wiederholt, dass die Wähler klar gezeigt hätten, sie wollen eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP, sieht man eher deutlich, dass die Wähler sich für keine Koalitionsoption klar ausgesprochen haben. Fast genauso viel Vertrauen wie die SPD bekam die CDU/CSU. Es entscheiden also programmatische Kompromisse.

Um nicht ein weiterer „Kaffeesatzleser“ zu sein, widme ich mich dem samstäglichen Ereignis (25.09.) in Lubowitz. Auf meine Idee von vor einem Jahr hin hat das Oberschlesische Eichendorff-Kultur- und Begegnungszentrum ein Seminar zum 30-jährigen Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages organisiert, an dem für das Thema wichtige Referenten teilgenommen haben. Schon vor einem Jahr habe ich gesagt, dass man in Oberschlesien daran erinnern muss, dass die Regierungen von Deutschland und Polen im Jahr 1989 entschieden haben, vor allem das Erbe Eichendorffs zu bewahren und zugänglich zu machen. Daher widmete ich mein Referat dem Versuch zu verstehen, wieso es so nicht gekommen ist und der Ort, dem die Regierungen tatsächlich ihre Aufmerksamkeit schenkten, Kreisau und die dort entstandene Stiftung gewesen ist.

Die Vorbereitungen zu diesem Referaten erlaubten mir, einige Hypothesen aufzustellen. Vor allem stieß ich auf den Wortlaut einer Rede Helmut Kohls aus dem Jahr 1988, die voller persönlicher emotionaler Verehrung für den Lubowitzer Dichter gewesen ist, den Kohl den deutschesten unter den deutschen Dichtern nannte. Es heißt in der Rede: „Eichendorffs Werke sind (…) reine Inkarnation von Gefühls- und Charakterzügen unseres Volkes und daher wissen sie unfehlbar den Nerv zu treffen“. Es ist für uns leicht, Kohls Gedanken zu begreifen: „Seine schlesische Heimat hat Eichendorff besungen, wie man es sich eindringlicher und schöner kaum vorstellen kann“. Und gleichzeitig warnt er davor, seine Poesie auf eine Volkstümlichkeit zu reduzieren, was diesem Romantiker, dessen Worte zusammen mit der Musik Schumanns oder Mendelssohns allgemein bekannt sind und sogar bei Volksfesten gesungen werden, vorgeworfen werden kann.

Kohl sieht in seiner Poesie und seinem Leben die Haltung einer konfessionsübergreifenden Religiosität, einer Öffnung auf die kulturelle Vielfalt und die Erfüllung der humanistischen Aufklärungsideale durch die menschliche Bindung an die Heimat, deren Verlust mit Leid verbunden ist. Kohl sieht darin einen Widerstand gegen jedwede Enterbung aus der Heimat und ihrer Attribute wie der Sprache oder Religion. Ist es also nicht so, dass Kohl persönlich daran gelegen war, das Erbe Eichendorffs zu schützen und daher steht er als einziger deutscher Dichter in der gemeinsamen Erklärung, die er mit Mazowiecki unterzeichnet hatte?

Ich kann nur empfehlen, das ganze Referat auf der Facebook-Seite des Lubowitzer Zentrums, das leider zu wenig Werbung für das Seminar gemacht hat, nachzuhören. Zum Glück kommt da das Internet jedem zu Hilfe, der die Quelle erreichen will.

Bernard Gaida

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