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Wir bleiben!

Während der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum von VdG konnte neben der polnischen und deutschen Flagge auch die Europäische nicht fehlen / Podczas uroczystości 30-lecia ZNSSK w Polsce obok flag Polski i Niemiec nie mogło zabraknąć flagi Unii Europejskiej. Foto: VdG Während der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum von VdG konnte neben der polnischen und deutschen Flagge auch die Europäische nicht fehlen / Podczas uroczystości 30-lecia ZNSSK w Polsce obok flag Polski i Niemiec nie mogło zabraknąć flagi Unii Europejskiej. Foto: VdG

Sich an den Donnerstag, den 7. Oktober 2021, zu erinnern, wird aus mehreren Gründen einfach. Er fiel auf den Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 30jährigen Jubiläum des VdG und des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zwischen einem Treffen von mehreren hundert unserer Mitglieder im Norden Polens in Köslin und einer Begegnung von weiteren hunderten Menschen aus ganz Schlesien in Kattowitz. Beide Treffen waren voller Freude über die Errungenschaften der deutschen Gemeinschaft in Polen in den letzten 30 Jahren, also des Weges vom organisatorischen Nichtsein bis heute. Sie feierten aber auch den Weg von der Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen bis zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der Schengen-Zone.

Zwischen diesen beiden Treffen knirschte der Donnerstag aber mit falschen Tönen. Das Verfassungsgericht hat entschieden, das in Polen EU-Recht nur dort respektiert wird, wo es nicht im Widerspruch zur Verfassung steht. Ich lasse einmal die Tatsache beiseite, dass juristische Experten meinen, der Fall, der das Gericht zu dieser Entscheidung brachte, also das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, die verfassungsmäßige Organisation und Unabhängigkeit der Gerichte vor unberechtigten Änderungen durch ein einfaches Gesetz schützte. Wichtiger ist die Infragestellung des in der EU geltenden Prinzips, die Urteile des obersten Gerichtes der Union anzuerkennen. Das stellt wiederum den Lissabonner Vertrag in Frage und das bedeutet praktisch, sich aus der Gemeinschaft der Staaten herauszunehmen, die durch den Vertrag verbunden sind. Schließlich kann das zu einem formellen Austritt aus der EU führen.

Die Deutschen in Polen, aber auch die anderen nationalen Minderheiten, waren Enthusiasten der EU, denn sie haben die Erfahrung des Lebens in der Volksrepublik, also eines autoritären Staates mit nationalistischen Tendenzen, hinter sich. In den Strukturen der EU sehen wir für uns Sicherheit, vor allem dank des Rechtsstaatlichkeitsprinzips auf europäischer Ebene, das von vornherein eine nationalistische Perspektive ablehnt. Das durfte ich in meiner Kattowitzer Ansprache nicht unangesprochen lassen und daher sagte ich eindeutig: „Wir standen und stehen fest zur Mitgliedschaft Polens mit unseren Heimaten in der Europäischen Union. Wir appellieren an uns alle, vor allem aber an die Regierung und die Parteien, unsere Mitgliedschaft in der großen europäischen Gemeinschaft nicht in Frage zu stellen.“

Mit Freude habe ich am Tag darauf die Demonstrationen der EU-Befürworter in vielen Städten beobachtet, doch leider glaube ich nicht an das Strohfeier der Opposition und der happeningliebenden Mitbürger und deren Haltung bei den Wahlen, Abwesenheit von ihnen und eine generelle politische Unbeholfenheit schließlich entscheidet. Mögen zumindest die Deutschen in Polen, die beim Referendum mehrheitlich für einen Beitritt gestimmt haben, bis zum Schluss rational bleiben. Dann wird sich mein letzter Satz in Kattowitz bewahrheiten: „Wir, Deutsche aus Schlesien, Pommern, Ermland und Masuren, bleiben in Europa!"

Bernard Gaida

Letzte Änderung am Donnerstag, 14 Oktober 2021 11:50