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Deutsche Minderheit in Polen darf nicht zur Geisel der zwischenstaatlichen Politik werden

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  • Publiziert in Politik
Prof. Dr. Bernd Fabritius. Quelle / Źródło: aussiedlerbeaufrtragter.de Prof. Dr. Bernd Fabritius. Quelle / Źródło: aussiedlerbeaufrtragter.de

In einer aktuellen Entscheidung des polnischen Sejm wird die Unterstützung der Deutschen Minderheit in Polen um rd. 10 Millionen Euro gekürzt. Diese Kürzung soll ausschließlich die deutsche Minderheit betreffen. Dabei geht es konkret um die Kürzung des Deutschunterrichts als Minderheitensprache von drei Stunden auf eine Stunde. Diese Entscheidung soll bereits ab dem 1. September 2022 in Kraft treten. 

Der Dachverband der Deutschen Minderheit in Polen (VdG) hat vor diesem Hintergrund angekündigt, das Gesprächsformat des auf Grundlage des Deutsch-Polnischen Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17.6.1991 sowie der Gemeinsamen Erklärung von Juni 2011 geschaffenen Deutsch-Polnischen Runden Tisches, in dem die Belange der polnischstämmigen Bürger und Polen in Deutschland sowie die Belange der Deutschen Minderheit in Polen verhandelt werden, zu verlassen. Das bewährte Dialogformat, das Polen gerade in dieser so wichtigen Frage leider nicht genutzt hat, wäre somit faktisch ausgesetzt. 

Die Entscheidung des Sejm zur Kürzung der Förderung verletzt ratifizierte Regel-werke des Europarates, damit auch nationale Gesetze und widerspricht dem Geist einer gedeihlichen Minderheitenpolitik zum Wohle von Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung. Die Angehörigen der Deutschen Minderheit in Polen sind loyale Staatsbürger ihres Staates und haben als nationale Minderheit dort Anspruch auf Förderung ihrer Muttersprache im staatlichen Schulsystem. 

In der heutigen Sitzung des Minderheitenausschusses wurde von polnischer Regierungsseite betont, dass die Kürzung im Kontext der "sehr schlechten" Lage der Polen in Deutschland zu sehen sei. 

Diese Einschätzung kann ich in keinster Weise teilen: 

Das Angebot von herkunftssprachlichem Polnischunterricht in Deutschland ist entgegen der Behauptung der polnischen Regierung nicht defizitär. Eine Abfrage der Kultusministerkonferenz bei den für den herkunftssprachlichen Polnischunterricht in Deutschland zuständigen Ländern Ende des Jahres 2020 hat ergeben, dass die Zahl der Polnisch lernenden Schülerinnen und Schüler im Querschnitt der Bundesländer seit der letzten Länderabfrage im Jahr 2016 gestiegen ist. In mehreren Bundesländern besteht sogar die Möglichkeit, die polnische Herkunftssprache als Pflichtfremdsprache im Rahmen des Erwerbs des allgemeinen Schulabschlusses zu belegen. Der mittels dieser Länderabfrage aktualisierte Bericht zur Situation des schulischen Polnischunterrichts in Deutschland ist auf der Internetseite der Kultusministerkonferenz veröffentlicht. Aus einer zusätzlichen Abfrage der Kultusministerkonferenz bei den Ländern geht zudem hervor, dass das derzeitige Angebot an schulischem herkunftssprachlichen Polnischunterricht bedarfsgerecht ist und eine darüber hinaus gehende Nachfrage grundsätzlich nicht besteht. 

Mittel für außerschulischen Unterricht in deutscher Muttersprache für die in Polen lebende deutsche Minderheit leistet Polen nicht. Dieser außerschulische Unterricht in deutscher Muttersprache in Polen wird umfassend auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung finanziert. 

Es ist bedauerlich, dass Polen durch diese einseitige Kürzungsentscheidung eigene Staatsbürger diskriminiert und missbraucht, um außenpolitische Ziele für andere Personengruppen mit Druck zu versehen. Diese höchst bedauerliche Entscheidung, die auf unzutreffenden Annahmen beruht, sollte Polen möglichst bald erneut überprüfen.  

Derart wichtige Anliegen wie die Minderheitenpolitik sollten konstruktiv und unter Nutzung bewährter bilateraler Gesprächsformate verfolgt werden. Eine Diskriminierung oder gar eine Geiselnahme einer Minderheit zu außenpolitischen Zwecken ist keine akzeptable politische Strategie.

 Quelle: aussiedlerbeauftragter.de
Letzte Änderung am Freitag, 28 Januar 2022 18:43