Log in

Vorsitzender Bernard Gaida während des Schlesiertreffens

Anlässlich des unlängst stattgefunden Deutschlandtreffen der Schlesier richtete der Vorsitzende des VdG Bernard Gaida ein Grußwort an die Versammelten. Hier finden sie die Rede im Wortlaut.

Grußwort anlässlich des Schlesiertreffens

Hannover, den 24 Juni 2017

Sehr geehrte Frau Schroeder-Koepf,

Sehr geehrter Herr Koschyk, lieber Hartmut,

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, lieber Stephan,

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Gäste aus nah und fern,

liebe Landsleute aus Schlesien,

die entweder in der Heimat als auch in Deutschland leben,

wir treffen uns erneut hier in Hannover zu dem Schlesiertreffen. Ich danke Euch für die vielen Jahre, in denen Tausende von uns in ihrer Umgebung und für sich selbst ihre deutsche und regionale Tradition gepflegt und dabei Freude gesät aber auch manchmal für Gewitter gesorgt haben. Besonders wir Deutsche Schlesier in der Heimat. Hier treffen wir uns gemeinsam um unsere Kulturerbe zu pflegen und präsentieren. Es ist eine Kultur, die uns Schlesier, mit Pommeranern, Ermländer, Kaschuben, Ostpreußen, mit der großen Gemeinschaft von Millionen Menschen nicht nur in Sachsen, Berlin und Hessen aber auch mit den Deutschen, die in vielen Ländern von Russland bis Belgien, von Dänemark bis Kroatien verstreut sind, verbindet.

Jedoch ist die Kultur und Tradition, die in einer anderen Mehrheitsumgebung entfaltet und kultiviert wird, oft schwächer und benötigt in unserem Land einer Unterstützung, und einer liebevollen Fürsorge sowohl von Deutschland als auch von Polen. Wir möchten die Gefahren nicht verhüllen, die dazu führen, dass die Art der Unterstützung sich immer weiter verbessern soll. Besonders in Bereich des Schulwesens.

Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“ sagte: „Neben dem natürlichen Erbe gibt es ein historisches, künstlerisches und kulturelles Erbe, das gleichfalls bedroht ist. Es ist Teil der gemeinsamen Identität (…) Wenn die Beziehung des Menschen zur Umwelt bedacht wird, darf die Kultur nicht ausgeschlossen werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Denkmäler der Vergangenheit, sondern ganz besonders in ihrem lebendigen, dynamischen und partizipativen Sinn. (…)Die primären Einwohner sind nicht eine einfache Minderheit (…). Denn für sie ist das Land nicht ein Wirtschaftsgut, sondern eine Gabe Gottes und der Vorfahren, die in ihm ruhen; ein heiliger Raum, mit dem sie in Wechselbeziehung stehen müssen, um ihre Identität und ihre Werte zu erhalten (…).“ Schlesien kann alle Orte symbolisieren, die aufgrund des grauenvollen Krieges, zu einem Gebiet wurden aus dem Millionen Flüchtlinge und dann Millionen Vertriebene stammen und eine Handvoll, die zurückgeblieben sind, einer geplanten Assimilation unterzogen wurden. In Schlesien an die Stelle der unglücklichen Deutschen kamen unglückliche Polen, die aus dem Osten weg gehen mussten oder wollten, an. Oft vereinte uns dort die Gemeinsamkeit des Heimatverlustes. Anhand der Narben der Vergangenheit sehen wir, dass das Prinzip der Kollektivschuld ungerecht ist und dass eine Ungerechtigkeit niemals durch eine Andere geheilt werden kann. Das sollen die Mächtigen dieser Welt nicht vergessen. Auch für die zurückgebliebenen Deutschen war das eine Vertreibung aus der Heimat, über die Wilhelm von Humboldt sagte: „Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache, und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten“. Wie oft haben wir den Wahrheitsgehalt dieser Worte erfahren müssen. Aber gerade diese Erfahrungen verursachen, dass wir die Absichten des Papstes verstehen, wenn er sagt, dass „die Geschichte, die Kultur und die Architektur eines Ortes eingegliedert werden müssen, so dass seine ursprüngliche Identität bewahrt bleibt“ und wir fühlen, dass er über uns spricht wenn er sagt: „Wenn sie in ihren Territorien bleiben, sind es gerade sie, die am besten für sie sorgen.“ Deshalb bemühen wir uns um gesellschaftliche und politische Beteiligung überall dort, wo unsere Häuser sind. Tausende Menschen, die sich mit dem deutschen Kulturerbe identifizieren, bemühen sich auf verschiedene Weise um die materiellen und immateriellen Denkmäler der Vergangenheit zu kümmern, wie auch eine multikulturelle, moderne und demokratische Gesellschaft gemeinsam zu erschaffen. Ohne das gebe es keine Ausgaben, weder aus dem Kreis der Lubowitzer Freunde von Eichendorff, noch der Gleiwitzer Studien über Horst Bienek oder der herausgegebenen Erinnerungen der aus Schlesien nach Sibirien deportierten Frauen. Ohne das gebe es auch keine großartigen Schlesien Seminare in Groß Stein, Chorfestival in Waldenburg, Deutsche Kulturtage in Oppeln, Kulturfestival in der breslauer Jahrhunderthalle, aber auch tausend andere Ereignisse. Heute können wir uns ruhig als diejenigen bezeichnen, die die deutsche Kultur in Polen verbreiten. Wir sind aber auch diejenigen, für die das die eigene Kultur und Sprache ist. Einst wurde sie leicht ausgerottet. Wiederaufzubauen ist sehr schwer. Wir gehören zu den europäischen Minderheiten, die dazu gezwungen sind etwas wiederaufzubauen und nicht nur zu pflegen. Die sozialistische Walze mit nationalistischen Tendenzen behandelte uns besonders brutal. Deshalb benötigen wir die Unterstützung sowohl der polnischen als auch der deutschen Regierung. Nur die Sprache, die darauf basierende Kultur und Tradition des Elternhauses werden uns langfristig erlauben sich gut zu integrieren und nie einer Assimilation zu unterliegen. Dafür immer noch brauchen wir das richtige Schulwesen.

Jedoch fehlt uns an kultureller Dezentralisierung im Geschichtsunterricht, in Auswahl der Literatur, im Interesse an der Region. Mit unserer Tätigkeit müssen wir weiterhin diesen Mangel in der Kulturpolitik des Staates nachholen. Es darf nicht so sein, dass ein Kind in einer Schule in Schlesien über seine Region nur dann hört, wenn diese Region in einem gewissen Moment der Geschichte mit der Geschichte Polens verbunden war. Deswegen versuchen wir Schulen in eigene Trägerschaft zu gründen. Vier haben wir geschafft. Wenn aber aus Deutschland unser Schulwesen nicht gezielt unterstützt wird, kann es sich nicht weiterentwickeln. Dank des Gesprächs mit Kanzlerin Merkel sind wir auf einem Weg der uns vielleicht Erfolg verspricht. Viele von uns sind nicht nur aus ökonomischen Gründen wegegefahren. Einer der Gründe ist auch die Furcht vor dem Verlust der eigenen Identität und der Identität der eigenen Kinder. Deswegen ist die Aufgeschlossenheit gegenüber der Multikulturalität, der unterschiedlichen geschichtlichen Empfindlichkeit und der Akzeptanz der Andersartigkeit, neben der Ökonomie auch ein Element des Kampfes mit der demografischen Krise in Schlesien.

Wir verdanken die Existenz der meisten Gesellschaften der „Solidarność“ in Polen und dem Fall der Berliner Mauer. Hier muss man besonders den Altbundeskanzler Kohl dankbar erwähnen. Aber deswegen unterstützen wir konsequent alles, was uns in Europa verbindet. Vor einem Jahr haben wir 25. Jubiläum der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages gedenkt. Dank diesem Vertrag wurden wir sichtbar, aber wir waren immer in Schlesien gewesen. Wir haben uns bemüht akzeptiert zu werden. Wir waren auch vorhin Erbauer der deutsch-polnischen Brücken der Versöhnung, jedoch nicht um den Preis des Vergessens der eigenen Geschichte, Kultur und Sprache. Dies ist für einige schwer zu akzeptieren.

Der Mehrheit fällt es manchmal schwer die zweisprachigen Ortsschilder in Schlesien zu akzeptieren und dafür zu sorgen, dass im Museen die Geschichte der Deutschen auf dem gegenwärtigen polnischen Boden objektiv dargestellt wird. Nach dem Krieg überhaupt. Leider auch in den Deutschen Museen, auch dort wo sie sich spezifisch mit ehemaligen Ostdeutschland befassen, schließt man die Erzählung mit dem Jahr 1945 und dem Schicksal der Vertreibung ab. Ohne zu erwähnen, dass die Deutschen ununterbrochen in Schlesien leben. Ohne den Schicksal der kulturellen und sprachlichen Unterdrückung in der Volksrepublik Polen, der Deportation in die Sowjet Union, der Menschen der Ersten Stunde die festgenommen wurden und zwanghaft nach Deutschland ausreisen mussten. Das fehlt auch hier, sowohl in Ratingen oder Görlitz, als auch in Warendorf. Ich kann nur bitten das zu verändern. die neue Konzeption zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach Paragraf 96 des Bundesvertriebenengesetzes, die vor eine Woche Frau Ministerin Prof. Monika Grütters in Rahmen der Konferenz „Erinnerungen bewahren – Zukunft gestalten“ vorgestellt hat, und unser Treffen mit Ihr in Bundeskanzleramt lässt mich hoffen, dass sich hier was ändern wird.

Da wir mit unser Andersartigkeit in Polen leben, fühlen wir wie sehr die fehlende Toleranz und die Meinung, dass aufgrund der verübten Gewaltverbrechen der Nazi-Deutschland auch die deutsche Minderheit gegenwärtig nicht allzu viele Rechte haben sollte, weh tut. Es schmerzt sehr, wenn wir im Internet lesen, dass wenn wir uns als Deutsche fühlen, wir das Land verlassen sollten. Eine Hoffnung für uns sind die Polen, die nicht in diesen Kategorien denken. Und die sind viele. Wir leben in zwei Welten, sowohl in einer deutschen als auch einer polnischen Realität und möchten daher, dass Europa für Alle eine gemeinsame Antwort gibt. Andernfalls wird es kein gemeinsames Europa geben. Deswegen engagieren wir uns dafür die Minderheitenrechte auf der europäischen Ebene zu verankern.

Ich versichere Ihnen, dass niemanden das Wohl der europäischen Gemeinschaft mehr am Herzen liegt, als den Minderheitengemeinschaften. In der immer weiter gespaltete Gesellschaft in Polen sind die Minderheiten die ersten Verlierer. Eine ukrainische kirchliche Prozession wurde angegriffen, ein Professor geschlagen, weil er in der Straßenbahn deutsch gesprochen hat, die Stadt Oppeln wurde Vergrößert trotz dem, dass es unserer Meinung nach ein Verstoß gegen die Minderheitenrechte ist. Noch stärker betrübt uns jedoch, dass manche polnischen Politiker und Medien offen gesagt haben, dass unsere Argumente nicht ernst genommen werden müssten, weil sie Argumente der Deutschen Minderheit seien. Die Hasssprache steigt. Wir wollen als Bürger Polens, die dort leben und arbeiten, die Sicherheit haben, dass wir bei der Bewahrung unserer Identität auf den Schutz und die Hilfe des Staates immer zählen können. Deswegen werde ich abschließend sagen, dass man den Nachbarschaftsvertrag trotz Schwierigkeiten achten soll. Es gibt keinen anderen Weg für Menschen und Parteien als jegliche Erscheinungen des Hasses zu bekämpfen im Sinne der Worte des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich: „Hass zerstört Frieden. Hass zerstört Freiheit. Hass zerstört Demokratie und Gemeinschaft. (…) Hass macht einsam und arm.“

Dieser Tag und die jahrelange Tätigkeit von uns Schlesiern in der Heimat als auch hier in Deutschland soll ein Zeichen der Achtung und gemeinsamen Freude sein, ein Zeichen der Ablehnung des Hasses, Intoleranz und fehlenden Akzeptanz.

Aber noch mehr. Gestern habe ich oft in den Reden gehört, dass man nach Schlesien fahren soll. Schlesien begeistern, besuchen, kennenlernen. Und ich sage: fahren und bleiben. Fahren und Firmen gründen, fahren und Häuser kaufen. Ihr und Eure Kinder fehlen uns in Schlesien.

Für uns Schlesier und für Schlesien gutes Gelingen und schöne Zeit.

Letzte Änderung am Dienstag, 27 Juni 2017 20:15