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Online-Premiere des Films: "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien"

Das wäre jetzt persönlich mein Wunsch, dass man in Polen dann in der Zukunft über diese Sachen ganz nüchtern sprechen kann, nicht mit dem nationalen Pathos (Dr. Matthias Lempart)

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden, gemäß der Idee der Selbstbestimmung der Nationen, eine Reihe neuer Staaten in Europa geschaffen. Die Durchführung des Plebiszits in Oberschlesien 1921 schien ein Sieg der Demokratie zu sein – zum ersten Mal in der Geschichte wurden − nach dem Vorbild des Nationalstaates − die Bewohner danach gefragt, in welchem Staat sie leben möchten: Ob im neu geschaffenen Polen oder in der Weimarer Republik.

Oberschlesien war für beide Länder aufgrund u. a. seines industriellen Reichtums ein äußerst attraktives Gebiet. So wurden alle damals verfügbaren Propagandamittel eingesetzt, um diejenigen zu überzeugen, die immer noch unentschlossen waren. Nicht weniger als 98 % der berechtigten Personen nahmen am Plebiszit teil; Die Folgen der Ergebnisse erwiesen sich für beide Seiten als weitreichend.

Die Idee, den Film "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien" zu schaffen, entstand zum hundertsten Jahrestag dieser Ereignisse. Im Film wurden nicht nur historische Fakten zuverlässig dargestellt; in sparsamen Worten wird auch der Standpunkt der einfachen Menschen geschildert, die von den Ereignissen des Plebiszits, des späteren Dritten Schlesischen Aufstandes und der daraus resultierenden Teilung Oberschlesiens am stärksten betroffen waren.

Über die Ereignisse des Jahres 1921 erzählen im Film eingeladene Experten:

  • Waldemar Gielzok, Vorsitzender der Deutschen Bildungsgesellschaft, Übersetzer der deutschen Sprache
    sowie Forscher der Geschichte Schlesiens:
  • Prof. Dr. Hab. Ryszard Kaczmarek, Historiker, Kattowitz;
  • Dr. Matthias Lempart, Historiker, Berlin.

Präsentation des Filmes "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien" / Prezentacja filmu „Plebiscyt i rok 1921 na Górnym Śląsku”.  Präsentation des Filmes "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien" / Prezentacja filmu „Plebiscyt i rok 1921 na Górnym Śląsku”.  Präsentation des Filmes "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien" / Prezentacja filmu „Plebiscyt i rok 1921 na Górnym Śląsku”.

Am Montag, den 9. Mai 2022, fand im Museum des Oppelner Schlesiens die erste Präsentation des Films statt. Den Film begleitete eine Diskussion mit Gästen: Waldemar Gielzok, Bernard Gaida, Vorsitzenden des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, Roland Skubała, Regionalhistoriker und Maria Kwiecińska - Vorsitzende des DFK Dembiohammer, Expertin für die Geschichte der Region. 

Präsentation des Filmes "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien" / Prezentacja filmu „Plebiscyt i rok 1921 na Górnym Śląsku”.  Präsentation des Filmes "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien" / Prezentacja filmu „Plebiscyt i rok 1921 na Górnym Śląsku”.  Präsentation des Filmes "Plebiszit mit Folgen. Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien" / Prezentacja filmu „Plebiscyt i rok 1921 na Górnym Śląsku”.

Wir möchten uns bei allen Anwesenden für ihr Kommen bedanken. Diejenigen, die an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnten, laden wir zur Online-Premiere am kommenden Mittwoch um 19:00 Uhr ein: 

Produktion: Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, 2022
Ausführende Produktion: VdG-Medien 

Logo VdG

Die Veranstaltung wird in der Zusammenarbeit mit der Gemeindestruktur der Deutschen Minderheit in Oppeln im Rahmen des Projekts Begegnungsstättenarbeit organisiert.

Das Material wurde realisiert dank finanzieller Unterstützung von:
    Marschallamt der Woiwodschaft Oppeln
    Jahrestag des Dritten Schlesischen Aufstandes
    Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Oppeln

HERB OPOLSKIE male Logo Powstania Śląskie v2 mini RGBKonsulat Oppeln

Mai-Reflexionen

Hinter uns liegt eine von Jahrestagen und Feierlichkeiten erfüllte Woche. Über den Jahrestag des Ausbruchs des III. Aufstandes wurde schon viel geschrieben. Die Maitage sind aber auch Jahrestage des Endes des Zweiten Weltkrieges. Nur wenige Tage trennen diese Jahrestage voneinander und als ich über die Nähe dieser beiden Daten nachgedacht habe, erkannte ich, wie tragisch die Generation meiner Urgroßeltern gewesen ist, die bewusst zwei Weltkriege miterlebt haben, aber auch hier in Schlesien ihre dramatischen Folgen ertragen mussten. Irgendwie waren die Sieger immer weit weg, in Paris, Warschau oder Moskau. Die tragischen Folgen ihrer Siege trafen die einfachen Menschen hier auf schlesischem Boden.

Denn der Ausbruch des III. Aufstandes war unzertrennlich verbunden mit dem Versailler Vertrag, dem es nicht unbedingt gelungen ist, in Europa Frieden einzuführen, wenn schon zwei Jahre nach dessen Unterzeichnung der Aufstand Realität wurde. Heute wissen wir, dass die gemeinsamen Interessen Polens und Frankreichs der Nährboden für den Konflikt waren, doch noch besser zeigt die Schwäche des Vertrages die Tatsache, dass bereits 20 Jahre später in Europa ein noch schrecklicherer Krieg tobte.

In Schlesien endete keiner der Kriege mit Frieden, beide führten zu Grenzverschiebungen, beide zwangen zunächst Hunderttausende, dann Millionen Menschen zur Flucht, Aussiedlung und endeten mit einem Trauma der Vertriebenen. Propagandistische Slogans von einer Befreiung klingen hier also falsch.

Doch diese Gedanken erleichtern mir den Blick auf andere, manchmal unterschätzte und vergessene Maifeierlichkeiten. Wer erinnert sich denn daran, dass am 5. Mai 1949 der Europarat entstanden ist und am 9. Mai 1950 Robert Schumann, damaliger französischer Außenminister, in Paris eine Deklaration aussprach, die zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte, dem ersten Stadium der heutigen Europäischen Union. Das zweite Datum ist heute als Europatag bekannt, und es verdient diesen Namen, denn es war eine Gemeinschaft, deren Mitbegründer Staaten waren, die sich noch fünf Jahre zuvor brutal bekämpft hatten.

Vor dem Hintergrund des Europatages, der zu Ehren des Aufbaus von Einigkeit statt Feindschaft, der Überwindung des Hasses und des Ballastes der Vergangenheit, des Baus einer freundschaftlichen Zusammenarbeit ausgerufen wurde, ist die Feier des Ausbruchs eines blutigen, brudermörderischen Konfliktes und sogar eine unreflektierte Glorifizierung dieser Siege ein Anachronismus. Es sei denn, sie sind eine zeitlose, kluge Reflexion über das Opfer aller Gefallenen und eine Warnung vor Hass, Spaltungen und Politikern, die den Frieden und die gesellschaftliche Ordnung stören. Und an solchen fehlt es auch heute nicht.

Bernard Gaida

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"Mir fehlt etwas" - Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des III. Schlesischen Aufstandes

Am 2. Mai 2021 sind 100 Jahre nach dem Schlesischen Aufstand vergangen. Offizielle Staatsfeierlichkeiten fanden auf dem St. Annaberg statt.

Unabhängig von den offiziellen Staatsfeierlichkeiten und noch vor ihrem Beginn ehrten die Vertreter der deutschen Minderheit auf dem Pfarrfriedhof am St. Annaberg das Gedenken an die Opfer des Aufstandes. Sie legten Blumen auf zwei Friedhofsquartieren nieder: auf dem Quartier der deutschen Verteidiger des St. Annabergs sowie auf dem Quartier der Aufständischen.

Kranzniederlegung auf dem Friedhof auf dem St. Annaberg / Złożenie kwiatów na cmentarzu parafialnym na Górze Św. Anny. Foto: Wochenblatt.pl   Kranzniederlegung auf dem Friedhof auf dem St. Annaberg / Złożenie kwiatów na cmentarzu parafialnym na Górze Św. Anny. Foto: Wochenblatt.pl   Kranzniederlegung auf dem Friedhof auf dem St. Annaberg / Złożenie kwiatów na cmentarzu parafialnym na Górze Św. Anny. Foto: Bernard Gaida  Kranzniederlegung auf dem Friedhof auf dem St. Annaberg / Złożenie kwiatów na cmentarzu parafialnym na Górze Św. Anny. Foto: Bernard Gaida

Blumen wurden vom Vorsitzenden des VdG, Bernard Gaida, dem Sejmabgeordneten Ryszard Galla und von den Abgeordneten des Sejmik der Woiwodschaft Oppeln vom Klub der deutschen Minderheit, Edyta Gola und Roman Kolek niedergelegt. Bernard Gaida gedachte der Gefallenen mit den Worten: "Als Vertreter der deutschen Minderheit 100 Jahre nach den Kämpfen des dritten polnischen Aufstandes in Oberschlesien wollen wir zeigen, dass wir - trotz Unterschiede im historischen Bewusstsein - dazu reif geworden sind, um alle Gefallenen zu gedenken und für sie alle zu beten. Das erwarten wir auch von unseren Nachbarn und Vertretern des Staates."

Auch die Resolution der VdG-Delegiertenversammlung aus dem Jahre 2019, in der ein würdiges Gedenken an die Opfer beider Seiten des Konflikts gefordert wurde, wurde in Erinnerung gerufen: "Das Jahrhundert, das seit dem Ende dieses Konfliktes vergangen ist, schafft eine Distanz, die es uns ermöglicht, das Leid der Menschen auf beiden Seiten zu sehen. Der Dialog in Schlesien ist notwendig, denn polnische Staatsbürger polnischer und deutscher Staatsangehörigkeit leben immer noch in Schlesien."

Um 10:00 Uhr dagegen, unter Beteiligung des Präsidenten Polens, Andrzej Duda, begannen mit einer feierlichen Messe die offiziellen Feierlichkeiten in der Basilika auf dem St. Annaberg. Die Worte von Bischof Andrzej Czaja zu Beginn der Messe waren eine Art Antwort auf die Beschlüsse der VdG-Delegiertenversammlung:

"Historische Erinnerung an diese Ereignisse, die in Polen und Deutschland lebendig ist, lebt besonders hier in Oberschlesien in den Herzen der Menschen, die hier wohnen. Etwas anders, vielfältig in den Herzen der polnischen Mehrheit, der deutschen Minderheit und noch anders in den Herzen der Einheimischen. Vor dem Ersten Weltkrieg lebten ihre Vorfahren hier nebenan zusammen, als Bewohner der Region, die ihre propolnischen oder prodeutschen Sympathien hatten. Sie waren oft zweisprachig und als Menschen der Grenzregion an die Vielfalt gewohnt. Aufgrund der Volksabstimmung standen sie zum ersten Mal in der Geschichte dieses Landes vor einer schwierigen Aufgabe, sich für Polen oder Deutschland einzusetzen. Die Propagandamaschinerie begann, viele wurden damals in der europäischen Politik eingeprägt und schließlich in einen bewaffneten Konflikt verwickelt, der viele menschliche Tragödien mit sich brachte. (...) Ich spreche davon, um eine größere Sensibilität für die Erinnerung an jene Tage zu wecken und die Absichten unseres gemeinsamen Gebets darzulegen. Alle, die vor hundert Jahren gekämpft haben, waren von der Richtigkeit ihrer Wahl und ihres Engagements überzeugt. Es ist daher notwendig, für alle Gefallenen zu beten - für diejenigen, denen das Denkmal für die Aufstände in Oberschlesien gedenkt, und für diejenigen, denen früher durch das Mausoleum gedacht wurde, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem St. Annaberg zerstört wurde. Auch für die gefallenen Soldaten der alliierten Truppen, die damals hier stationiert waren, um den Frieden zu wahren."

In seiner Rede am Denkmal für die Aufstände in Oberschlesien auf dem St. Annaberg betonte Präsident Andrzej Duda, dass "diese Feierlichkeiten ein wichtiger Teil des 100. Jahrestages der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens sind". Weiter, laut der aktuellen historischen Erzählung, sagte er: "Es war notwendig, auch Oberschlesien wiederzugewinnen. Und das nicht in einem, sondern in zwei Aufständen, sodass das Land, auf dem die Menschen, die Polnisch und in schlesischer Mundart sprachen, Teil der wiedergeborenen Republik Polens werden konnte. (...) Es war nicht einfach, denn auch Pommern kehrte nach Polen zurück. Es war nicht einfach, denn all dies war notwendig, damit Polen existierte und sich weiterentwickeln konnte - nicht nur aus sozialen, sondern auch aus wirtschaftlichen, ökonomischen Gründen. Und gerade Oberschlesien war in dieser Hinsicht absolut grundlegend."

Weiter erinnerte der Präsident an die Opfer des Aufstandskampfes: "Heute ehre ich den schlesischen Aufständischen: die Jungen aus schlesischen Städtchen, aus schlesischen Familien, aus schlesischen Bauernhäusern, aus schlesischen Häusern, die für Polen und nach Polen gegangen sind, die von Polen geträumt haben und die Oberschlesien für Polen wiedererlangt haben. Und oft haben sie dafür mit Blut und sogar Leben gezahlt. Eine ewige Erinnerung an alle Gefallenen, eine ewige Erinnerung an alle, die gestorben sind, an alle, die auf dieser Erde ruhen."

In Andrzej Dudas Worten gab es am Ende der Rede aber auch Worte, die an die deutsche Minderheit gerichtet waren: "Heute sind wir nicht nur alle zusammen in Polen, Menschen mit ganz unterschiedlichen Wurzeln - diejenigen, die seit Generationen polnischer Herkunft sind, diejenigen polnisch-deutscher Herkunft sowie diejenigen, die noch auf dieser Erde leben und deutsche Herkunft haben. Sie sind auch heute unter uns. Wir alle leben in Polen, einem freien, unabhängigen, demokratischen Staat, in der Europäischen Union, in dem wir einander respektieren und ihre Rechte achten."*

Nach dem Besuch auf dem St. Annaberg ehrte Bernard Gaida auch die deutschen Verteidiger Oberschlesiens in Kranowitz in Schlesien und legte während der vom DFK Schlesien organisierten Gedenkfeier Blumen unter das Denkmal der Gefallenen.

Denkmal für die gefallenen Aufständischen in Kranowitz / Pomnik poległych powstańców w Krzanowicach. Foto: Bernard Gaida.  B  Denkmal für die gefallenen Aufständischen in Kranowitz / Pomnik poległych powstańców w Krzanowicach. Foto: Bernard Gaida.

"Wir wollen den Jahrestag dieser Tragödie eher gerecht feiern. Deshalb danke ich Bischof Andrzej Czaja, der in seiner Rede gesagt hat, was wir als deutsche Minderheit erwartet hätten", kommentierte die Feierlichkeiten Sejmabgeordneter Ryszard Galla. "Seine Worte, die den Wunsch zum Ausdruck bringen, einen gemeinsamen Ort des Gedenkens zu schaffen, werden für uns eine führende Stimme für die Zukunft sein", betonte er.

"Ich habe die Rede von Präsident Komorowski vor zehn Jahren gehört, und mir fehlt etwas", kommentiert die Worte des Präsidenten Bernard Gaida. "In der Rede des derzeitigen Präsidenten fehlte ein Hinweis auf die Idee und den Wert der gegenwärtigen polnisch-deutschen Aussöhnung, es gab keinen europäischen Akzent. Sowohl in der Rede als auch in der Dekoration, denn das Fehlen von Flaggen der Europäischen Union war auffällig. Aber auch wenn nur wenige Themen aus unserer Resolution angesprochen wurden, gab es in der Rede des Präsidenten zwei wichtige Elemente: die Worte über das gemeinsame Gebet und die Tatsache, dass wir auf dieser Erde zusammenleben. Verglichen mit der Erklärung des Präsidenten von Oppeln als Reaktion auf das Appel der deutschen Minderheit in Oppeln, beide Seiten des Konflikts zu gedenken, war es in der Tat eine Erklärung mit einer viel breiteren Perspektive, auch wenn diese weit von der Ansicht von Bischof Czaja entfernt war. Es ist nur schade, dass nur in Bezug auf das Gebet für alle Toten, aber nicht mehr im Zusammenhang mit dem Recht auf andere als nur propolnische Haltungen vor 100 Jahren. Aber ich hatte den Eindruck, dass unser Brief und unsere Resolution, und insbesondere die Begrüßung des Bischofs Czaja, den Versuch beeinflusst hatten, die Erwartung zu berücksichtigen, die multinationale Region zu verstehen, die auch die Ereignisse von 1921 anders bewertet. Aus der Sicht der Minderheiten waren die Worte des Bischofs, in denen er  für uns so wichtige Inhalte wiederholte, am wichtigsten. Darüber bin ich sehr froh.

Doch die ganze Feier: Die Worte aus der Messe und am Denkmal zeigen, dass langsam - wenn auch zu langsam - die Wahrheit durchbricht, dass das, was aus polnischer Sicht ein Sieg war, für die Bewohner Schlesiens oft eine Tragödie mehrerer Spaltungen war, die nach den Worten des Papstes eine vielseitige Aussöhnung brauchen", schließt Bernard Gaida.

*Vollen Inhalt der Rede des Präsidenten kann man HIER hören.

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Erwartung

Ich lebe lange genug, sodass ich warten kann. Aber im Fall der Gedenkfeierlichkeiten auf dem St. Annaberg dauert das Warten bereits zu lang und es erfüllt mein ganzes Leben.

Als Kind, Schüler und Messdiener besuchte ich den heiligen Berg der Schlesier, seitdem ich denken kann. Dort realisierte sich mein Schlesien-Lernen, doch es geschah nur an einem Teil des Ortes. Die Kirche, das Kloster, der Kalvarienberg, die Einsiedelei, die Grotte, das Pilgerheim. Die Verbeugung vor dem Kreuz auf dem Paradiesplatz, mit der jeder Besuch dort begann. Der andere Teil war eine fremde Welt, vor dem mich die Oma gewarnt und mit geheimnisvoller Stimme gebeten hat, ich möge nie meinen Fuß auf den Platz vor dem Dunikowski-Denkmal setzen.

Sie selbst erlebte im Amphitheater ein nationalsozialistisches Treffen für Schüler und Jugendliche, bei dem ein Parteifunktionär, von der Glocke auf dem Gipfel des Annabergs unterbrochen, geschrien hatte, dass auch sie eines Tages dank des Führers verstummen werde. Für meine Oma war es eine ähnliche Gotteslästerung wie die späteren polnischen, sozialistischen Attacken auf die Religion. Sie standen zu ihr im Widerspruch und haben sie bedroht.

Neben der ideologischen Mahnung gab es auch eine moralische. Für meine Eltern und Großeltern war es nämlich ein Frevel, das Mausoleum der deutschen Verteidiger Oberschlesiens und der staatlichen Integrität vor polnischen Truppen, in dem sich ihre Asche befand, in die Luft zu sprengen. Sie meinten, die Detonation musste ihre Asche auf dem Platz vor dem neuen kommunistischen Denkmal für die Aufständischen verstreut haben. Um also nicht auf sie zu treten, sollte man nicht zum Denkmal gehen.

Der Missklang war dem Annaberg fest zugeschrieben und erst der Besuch des Papstes im Jahr 1983 sowie seine Worte, diese Erde brauche eine vielfältige Versöhnung, löste in uns eine Erwartung aus. Hunderttausende dort versammelte Schlesier wurden mit Hoffnung angesteckt. Doch sie dachten wohl nicht, dass es bis heute dauern würde. Die Welt hat sich verändert, der Sozialismus ist gefallen und Hammer und Sichel blieben nur noch auf dem Dunikowski-Denkmal. Die deutsche Minderheit wurde anerkannt, Ortsnamen haben auch eine deutsche Bezeichnung, der früher in Schulen verbotene Deutschunterricht kehrte zurück, aber der Annaberg ist immer noch in zwei Teile geteilt. In eine den Schlesiern nahe Gebets- und Pilgerzone und eine uns inhaltlich fremde staatliche Zone.

Zum wiederholten Mal habe ich auch in diesem Jahr an den polnischen Präsidenten die Bitte geäußert, während der Feierlichkeiten am 2. Mai diese Teilung zu überwinden und aller in diesem tragischen, von äußeren polnischen Kräften ausgelösten Aufstand gefallenen Opfer zu gedenken. Vor zehn Jahren hat der damalige Präsident Komorowski diese Bitte gehört und seine Worte schienen der Beginn der Realisierung des Appells von Johannes Paul II. zu sein. Jetzt warten wir wieder und glauben daran, dass der Staatspräsident sich über die engen, lokalen, archaischen und vom historischen Wissen losgelösten Aussagen und Taten stellen kann.

Bernard Gaida

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Erklärung des Abgeordneten Ryszard Galla zum 100. Jahrestag des 3. Schlesischen Aufstandes

Zum Gedenken an die Opfer des Konflikts des Jahres 1921 sprach im Sejm der Abgeordnete Ryszard Galla am vergangenen Donnerstag in seiner Erklärung. Wir empfehlen, sich mit dieser ausgewogenen und versöhnlichen Stimme bekanntzumachen.

Frau Marschallin! Mitglieder des hohen Hauses!

In diesem Jahr feiern wir den 100. Jahrestag des 3. Schlesischen Aufstands und den 100. Jahrestag der Volksabstimmung in Oberschlesien. Die Ereignisse von vor 100 Jahren gingen in die Geschichte Europas ein, insbesondere in die Geschichte Polens und Deutschlands.

Der dritte schlesische Aufstand ist immer noch geprägt von dem Drama unzähliger Familien und Menschen, die daran teilnahmen und sowohl auf polnischer als auch auf deutscher Seite kämpften. Es war eine Tragödie für alle, eine Tragödie, die nicht nur zu Menschenopfern beider Seiten führte, sondern auch zu einer tiefen Spaltung, die in vielen Familien, die auf diesem Gebiet leben, Wurzeln schlug.

Anlässlich des 90. Jahrestages des 3. Schlesischen Aufstands auf dem St. Annaberg sagte der Präsident der Republik Polen, Bronisław Komorowski: „Wir vergessen nicht, dass das damalige Drama nicht nur schlesische Dörfer und Städte teilte, sondern auch Familienhäuser und oft einzelne schlesische Familien“.  Und weiter: „Hier würdigen wir den Heldentum der Aufständischen, ohne die Schlesien nicht Teil Polens werden würde, wir respektieren aber auch die Entscheidungen derer, die auf der anderen Seite des Kampfes standen“. Bronisław Komorowski machte auch darauf aufmerksam, dass gegen die schlesischen Aufständischen auch andere Schlesier standen, die sich als Deutsche fühlten und wollten, dass Schlesien weiterhin Teil des deutschen Staates ist. Diese Worte zeigen schmerzlich, wie schwierig, kompliziert und mehrdeutig die Geschichte dieses Gebiets ist.

Als Abgeordneter der deutschen Minderheit im polnischen Sejm ist mir bewusst, dass der Dritte Schlesische Aufstand für die Polen ein sehr polarisierendes Ereignis ist. Selbst 100 Jahre später sind die Emotionen damaliger Ereignisse immer noch lebendig, insbesondere unter Menschen, deren Vorfahren an diesem Aufstand teilgenommen haben oder mit den Aufständischen verwandt waren. Gleichzeitig ist es anlässlich des 100. Jahrestags des dritten schlesischen Aufstands notwendig, allen, die während des Aufstands ums Leben gekommen sind, gehörige Ehre und Respekt zu erweisen, unabhängig davon, ob sie Polen oder Deutsche waren. Denn es muss daran erinnert werden, dass Schlesien seit Jahrhunderten ein Gebiet ist, in dem sich Kulturen, Geschichte und Sprachen vermischen. Menschen, die polnische Staatsbürger, aber deutscher Herkunft sind, haben hier gelebt und leben immer noch. So stellte sich die Geschichte heraus. Schlesien war die Heimat aller Seiten dieses Aufstands. Jede Seite wollte, dass Schlesien Teil ihres Staates ist. Daher die Kämpfe, daher viele menschliche Dramen.

Ich würde mir sehr wünschen, dass die diesjährigen Jubiläumsfeiern im Geiste des gegenseitigen Respekts und der Versöhnung stattfinden. Als Angehöriger der deutschen Minderheit habe ich in diesem Bereich positive Erfahrungen gemacht. Im Jahr 2000 standen wir als Vertreter der deutschen Minderheitenorganisation zusammen mit den Vertretern der lokalen Regierung der Woiwodschaft Oppeln zum ersten Mal auf dem St. Annaberg, um allen Opfern des Aufstandes, einschließlich der Opfer der Schlacht um St. Annaberg, zu würdigen. Wir taten dies im Geist großer Demut und gegenseitigen Respekts und erinnerten uns an den Heldentum der Aufständischen. Ich möchte sehr, dass solche Ereignisse nicht zufällig sind, sondern zu einer schönen Gewohnheit werden, die jedes Jahr gepflegt wird.

Als Abgeordneter der deutschen Minderheit möchte ich an die Worte des Papstes Johannes Paul II. erinnern, die er 1983 auf dem St. Annaberg ausgesprochen hat: "Dieses Land braucht noch eine vielfältige Aussöhnung." Diese Worte sind bis heute relevant. Das Drama der Ereignisse des Dritten Schlesischen Aufstands ist immer noch in den Herzen der Menschen präsent und teilt viele Familien oder im weiteren Sinne die polnische und die deutsche Gemeinschaft. Von diesem Podium aus möchte ich daher allen Opfern des Dritten Schlesischen Aufstands, unabhängig von ihrer Nationalität, meinen Tribut zollen. Gleichzeitig möchte ich an meine Kollegen Abgeordneter appellieren: Lassen Sie uns alle Opfer gemeinsam gedenken! Lassen Sie uns dies im Geiste der parteiübergreifenden Zusammenarbeit tun! Dank dessen wird das polnische Parlament auch zu diesem sehr schwierigen und lang anhaltenden Prozess der Heilung tiefer Wunden beitragen.

Ja, dieses Land muss noch mehrfach versöhnt werden, und als Mitglied der deutschen Minderheit möchte ich mich für eine solche Versöhnung einsetzen.

 

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Stimme zur Gedenkfeier an die Schlesischen Aufstände

Am 8. April 2021 hat der Vorsitzende des Verbandes der Sozial-Kulturellen Gesellschaften in Polen, Bernard Gaida, im Zusammenhang mit der bevorstehenden Gedenkfeier zum 100. Jahrestag des 3. Schlesischen Aufstands auf St. Annaberg, richtete an den Präsidenten der Republik Polen ein Führungsschreiben, in dem er zum Gedenken an beide Seiten des Konflikts aufrief und an die Resolution erinnerte, die 2019 vom VdG in Polen beschlossen wurde.

Der Brief wurde unter anderem an die Sejmmarschallin Elżbieta Witek, den Präsidenten des Senats Prof. Tomasz Grodzki, den Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, den deutschen Generalkonsul in Breslau Hans Jörg Neumann, den Abgeordneten des polnischen Parlaments Ryszard Galla und den Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Prof. Dr. Bernd Fabritius zur Kenntnisnahme verschickt.

Die deutsche Version des Briefes ist unten dargestellt:

Schreiben an Staatspräsidenten bez. 100 Jubiläum der Schlesischen Aufstände

Schreiben an Staatspräsidenten bez. 100 Jubiläum der Schlesischen Aufstände_2

Den vollständigen Text der Resolution der Delegierten des VdG in Polen finden Sie HIER.

 

 

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„Es ist Zeit, hier einen Diskurs anzuregen, der beide Seiten des Konflikts gleichermaßen ehrt“ – ist es wirklich so?

Im Mai 2021 soll im Zusammenhang mit der Feier zum 100. Jahrestag des Dritten Schlesischen Aufstandes in Oppeln ein neues Denkmal enthüllt werden. Das Denkmal soll sich auf dem Friedhof in Halbendorf in Oppeln befinden und an die Opfer der Kämpfe von 1921 erinnern; es stellt sich jedoch heraus, dass es eine Erinnerung nur an eine Seite dieses tragischen Konflikts sein wird.

In der Begründung der Stadträte heißt es: "Die Initiative zum Gedenken an die Helden der schlesischen Aufstände zielt darauf ab, 67 Menschen aus dem Bezirk Oppeln zu ehren, die ihr Leben in den schlesischen Aufständen gegeben haben und die ein Modell des Patriotismus und der Liebe zum Polentum für künftige Generationen sein sollten."

2019, im Gedenkjahr an die Schlesischen Aufstände, äußerte der Verband deutscher sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen die Hoffnung darauf, die Ereignisse von 1921 auf eine gemeinsame Art und Weise zu gedenken: „An symbolischer 100. Wiederkehr der Ereignisse möchten wir über die Meinungen hinaus im christlichen Geiste alle diejenigen ehren, die für ihre Sache den höchsten Preis bezahlten, indem sie eigenes Leben aufopferten. Mit Trauer neigen wir uns vor denjenigen, die während der Ereignisse und danach Diskriminierung und Ausgliederung erleiden mussten oder infolge der Umsiedlung eigene Häuser und eigene Heimat verloren. Es wurden davon nicht nur unsere Vorfahren aus Schlesien, aber auch diejenigen in Masuren betroffen. Ehrfürchtig neigen wir uns vor denjenigen, die mit Zuversicht auf die Zukunft der Nachkriegszeit blickten und eingedenk der bürgerlichen Pflichten ihre Stimmen in den Plebisziten abgaben.

Die Haltung dieses Respekts auf dem St. Annaberg wurde von Präsident Bronislaw Komorowski geäußert, der, als er von den Aufständischen sprach, sagte: "Für diesen Traum für diese Sehnsucht nach dem polnischen Schlesien haben viele hier auf dem St. Annaberg ihr Leben gegeben. Vor ihren Träumen, vor ihrem Opfer beugen wir heute alle unsere Köpfe." Er fügte jedoch hinzu: "Auch andere Schlesier standen gegen die Aufständischen – und zwar diejenigen, die sich deutsch fühlten und wollten, dass Schlesien Teil des deutschen Staates bleibt. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Drama von damals nicht nur schlesische Dörfer und Städte, sondern auch Häuser und oft einzelne schlesische Familien spaltete. (...) So wie unsere Vorfahren hier dem Heldentum der Aufständischen huldigen, ohne das Schlesien nicht Teil der Polen geworden wäre, respektieren wir hier auch die Entscheidungen derer, die auf der anderen Seite des Streites standen."

Umso mehr, nach so vielen Jahren nach der Beendigung der Aufstände, weckt die Trauer das einseitige Gedenken an die Opfer. Anscheinend sind wir noch nicht als eine Gesellschaft reif genug dazu, um in der Lage zu sein, vergangene Ereignisse aus der Ferne zu betrachten. Professor Robert Traba, der sich mit dem Thema kollektiven Gedächtnisses befasst, stellt fest, dass "wir, indem wir nur »unser eigenes« Gedächtnis (individuell oder kollektiv) als wahr behandeln, einen Raum permanenter Konflikte eröffnen."

Im Gedenken ist das Wichtigste der Inhalt, den es mit sich bringt. Kürzlich haben wir den 100. Jahrestag der Volksabstimmung in Oberschlesien gedacht. Bei der Diskussionsrunde, die der VdG bei dieser Gelegenheit veranstaltete, haben die Referenten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln angesprochen; denn Oberschlesien und seine Geschichte sind nicht leicht in einfache Schemata zu setzen. "Jedes Gedenken macht wirklich Sinn erst dann, wenn es etwas in der Gegenwart verändert oder in die Zukunft blickt"  – meinte zum Schluss der Vorsitzende des VdG, Bernard Gaida. "Es ist an der Zeit, die beiden Seiten zu ehren, die sich damals gegenüberstanden. Denn das gleiche war das moralische Recht derjenigen, die Oberschlesien innerhalb der Grenzen Deutschlands und derjenigen, die Oberschlesien innerhalb der Grenzen Polens wollten. (…) Es ist Zeit, hier einen Diskurs anzuregen, der beide Seiten des Konflikts gleichermaßen ehrt und das Problem der Teilung der oberschlesischen Heimat richtig betrachtet."

Quellen:
Opole. W mieście powstaną dwa nowe pomniki: bohaterów Powstań Śląskich i rotmistrza Witolda Pileckiego. NTO
Rezolucja dot. Roku Powstań Śląskich, VdG
Robert Traba: Polska i niemiecka kultura pamięci.

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